Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 109)

auf mich zu, als wann er unsinnig gewest wäre; ich fieng an zu schreien, darum mußte er aufhören, damit er keinen Alarm erregte; dann beide Armeen, die Sächsische und Kaiserliche, lagen damals beieinander, weil sich die Schwedische unter dem Banier näherte.

Das 26. Kapitel

Wie er vor einen Verräter und Zauberer gefangen gehalten wird.

Als es nun Tag worden, gab mich mein Herr den Reuterjungen preis, eben als beide Armeen völlig aufbrachen; das war nun ein Schwarm von Lumpengesind, und dahero die Hatz desto größer und erschröcklicher, die ich auszustehen hatte; sie eileten mit mir einem Busch zu; ihre viehische Begierden desto besser zu sättigen, wie dann diese Teufelskinder im Brauch haben, wann ihnen ein Weibsbild dergestalt übergeben wird: So folgeten ihnen auch sonst viel Bursch nach, die dem elenden Spaß zusahen, unter welchen mein Hans auch war; dieser ließ mich nicht aus den Augen, und als er sahe, daß es mir gelten sollte, wollte er mich mit Gewalt erretten, und sollte es seinen Kopf kosten; er bekam Beiständer, weil er sagte, daß ich sein versprochene Braut wäre; diese trugen ein Mitleiden mit mir und ihm, und begehrten ihm Hülf zu leisten; solches war aber den Jungen, die besser Recht zu mir zu haben vermeinten, und ein so gute Beut nicht aus Händen lassen wollten, allerdings ungelegen; derowegen gedachten sie Gewalt mit Gewalt abzutreiben; da fienge man an Stöß auszuteilen von beiden Seiten her, der Zulauf und der Lärmen wurde je länger je größer, also daß es schier einem Turnier gleichsahe, in welchem jeder um einer schönen Damen willen das Beste tut. Ihr schröcklich Geschrei lockte den Rumormeister herzu, welcher eben ankam, als sie mir die Kleider vom Leib gerissen, und gesehen hatten, daß ich kein Weibsbild war; seine Gegenwart machte alles stockstill, weil er viel mehr geförcht wurde, als der Teufel selbst; auch verstoben alle diejenige, die widereinander Hand angelegt hatten; er informiert sich der Sach kurz, und indem ich hoffte, er würde mich erretten, nahm er mich dagegen gefangen, weil es ungewöhnlich und fast argwöhnische Sach war, daß sich ein Mannsbild bei einer Armee in Weiberkleidern sollte finden lassen; dergestalt wanderten er und seine Bursch mit mir neben den Regimentern daher (welche alle im Feld stunden und marschieren wollten), der Meinung, mich dem Generalauditor oder Generalgewaltiger zu überliefern; da wir aber bei meines Obristen Regiment vorbeiwollten, wurde ich erkannt, angesprochen, schlechtlich durch meinen Obristen bekleidet, und unserm alten Profosen gefänglich überliefert, welcher mich an Hände und Füß in die Eisen schlosse.

Es kam mich gewaltig sauer an, so in Ketten und Banden zu marschiern; so hätt mich auch der Schmalhans trefflich gequält, wann mir der Secretarius Olivier nicht spendiert hätte; dann ich dorfte meine Dukaten, die ich noch bisher davonbracht hatte, nicht an des Tages Liecht kommen lassen, ich hätte dann solche miteinander verlieren, und mich noch dazu in größere Gefahr stecken wollen. Gedachter Olivier kommunizierte mir noch denselbigen Abend, warum ich so hart gefangen gehalten wurde, und unser Regimentsschultheiß bekam gleich Befelch, mich zu examinieren, damit meine Aussag

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