Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 111)
ohne Zweifel an die Folter gemüßt hätte, wann es Gott nicht anders gefügt. In dieser Gefangenschaft dachte ich stetigs an meinen Pfarrer zu Hanau und den verstorbenen alten Herzbruder, weil sie beide wahr gesagt, wie mirs ergehen würde, wenn ich wieder aus meinem Narrnkleid käme.
Das 27. Kapitel
Wie es dem Profosen in der Schlacht bei Wittstock ergangen.
Denselben Abend, als wir uns kaum gelägert hatten, wurde ich zum Generalauditor geführt, der hatte meine Aussag samt einem Schreibzeug vor sich, und fieng an mich besser zu examinieren; ich hingegen erzählte meine Händel, wie sie an sich selbst waren; es wurde mir aber nicht geglaubt, und konnte der Generalauditor nicht wissen, ob er einen Narrn oder ausgestochenen Böswicht vor sich hatte, weil Frag und Antwort so artlich fiele und der Handel an sich selbst seltsam war; er hieße mich eine Feder nehmen und schreiben, zu sehen was ich könnte, und ob etwan meine Handschrift bekannt oder doch so beschaffen wäre, daß man etwas daraus abnehmen möchte. Ich ergriff Feder und Papier so geschicklich, als einer der sich täglich damit übte, und fragte, was ich schreiben sollte? Der Generalauditor (welcher vielleicht unwillig war, weil sich mein Examen tief in die Nacht hinein verzog) antwortet: »Hei schreib: Deine Mutter die Hur!« Ich setzte ihm diese Wort dahin, und da sie gelesen wurden, machten sie meinen Handel nur desto schlimmer, dann der Generalauditor sagte, jetzt glaube er erst, daß ich ein rechter Vogel sei; er fragte den Profosen, ob man mich visitiert, und ob man nichts von Schriften bei mir funden hätte? Der Profos antwortet: »Nein, was sollt man an ihm visitiern, weil ihn der Rumormeister gleichsam nackend zu uns gebracht«: Aber ach! das half nichts, der Profos mußte mich in Gegenwart ihrer aller besudlen, und indem er solches mit Fleiß verrichtet, findet er, o Unglück! meine beide Eselsohren mit den Dukaten, um meine Arm herumgemacht. Da hieß es: »Was dürfen wir ferner Zeugnus? Dieser Verräter hat ohne Zweifel ein groß Schelmstück zu verrichten auf sich genommen, dann warum sollte sich sonst ein Gescheider in ein Narrnkleid stecken? oder ein Mannsbild in ein Weiberkleid verstellen? warum vermeint man wohl, zu was End er sonst mit einem so ansehenlichen Stück Geld versehen seie, als etwas Großes zu verrichten? Sagt er nicht selbst, er habe bei dem Gubernator zu Hanau, den allerverschlagnesten Soldaten in der Welt, lernen auf der Lauten schlagen? Was vermeint ihr Herren wohl, was er sonst bei denselben Spitzköpfen; vor listige Praktiken ins Werk zu setzen begriffen habe? der nächste Weg ist, daß man morgen mit ihm auf die Folter, und wie ers verdient haben wird, dem Feur zueile, maßen er sich ohnedas bei den Zauberern befunden, und nichts Bessers wert ist.« Wie mir damals zumut gewesen, kann sich jeder leicht einbilden; ich wußte mich zwar unschuldig und hatte ein starkes Vertrauen zu Gott; aber dennoch sahe ich meine Gefahr und bejammerte den Verlust meiner schönen Dukaten, welche der Generalauditor zu sich steckte.
Aber ehe man diesen strengen Prozeß mit mir ins Werk setzte,