Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 12)
Essen geben, und alsdann den Weg durch den Wald weisen, damit du wieder zu den Leuten, und noch vor Nacht in das nächste Dorf kommest«; ich fragte ihn: »Was sind das für Dinger, Leuten und Dorf?« Er sagte: »Bist du dann niemalen in keinem Dorf gewest, und weißt auch nicht, was Leut oder Menschen seind?« »Nein«, sagte ich, »nirgends als hier bin ich gewest; aber sag mir doch, was seind Leut, Menschen und Dorf?« »Behüt Gott«, antwortet der Einsiedel, »bist du närrisch oder gescheid?« »Nein«, sagte ich, »meiner Meuder und meines Knans Bub bin ich, und nicht der Närrisch oder der Gescheid.« Der Einsiedel verwundert sich mit Seufzen und Bekreuzigung, und sagte: »Wohl liebes Kind, ich bin gehalten, dich um Gottes willen besser zu unterrichten.« Darauf fielen unsere Reden und Gegenreden, wie folgend Kapitel ausweiset.
Das 8. Kapitel
Wie Simplicius durch hohe Reden seine Vortrefflichkeit zu erkennen gibt.
Einsiedel: Wie heißest du?
Simpl.: Ich heiße Bub.
Einsiedel: Ich siehe wohl, daß du kein Mägdlein bist, wie hat dir aber dein Vatter und Mutter gerufen?
Simpl.: Ich habe keinen Vatter oder Mutter gehabt.
Einsiedel: Wer hat dir dann das Hemd geben?
Simpl.: Ei mein Meuder.
Einsiedel: Wie heißet dich dann dein Meuder?
Simpl.: Sie hat mich Bub geheißen, auch Schelm, ungeschickter Dölpel, und Galgenvogel.
Einsiedel: Wer ist dann deiner Mutter Mann gewest?
Simpl.: Niemand.
Einsiedel: Bei wem hat dann dein Meuder des Nachts geschlafen?
Simpl.: Bei meinem Knan.
Einsiedel: Wie hat dich dann dein Knan geheißen?
Simpl.: Er hat mich auch Bub genennet.
Einsiedel: Wie hieße aber dein Knan?
Simpl.: Er heißt Knan.
Einsiedel: Wie hat ihm aber dein Meuder gerufen?
Simpl.: Knan, und auch Meister.
Einsiedel: Hat sie ihn niemals anders genennet?
Simpl.: Ja, sie hat.
Einsiedel: Wie dann?
Simpl.: Rülp, grober Bengel, volle Sau, und noch wohl anders, wann sie haderte.
Einsiedel: Du bist wohl ein unwissender Tropf, daß du weder deiner Eltern noch deinen eignen Namen nicht weißt!
Simpl.: Eia, weißt dus doch auch nicht.
Einsiedel: Kannst du auch beten?
Simpl.: Nein, unser Ann und mein Meuder haben als das Bett gemacht.
Einsiedel: Ich frage nicht hiernach, sondern ob du das Vatterunser kannst?
Simpl.: Ja ich.
Einsiedel: Nun so sprichs dann.
Simpl.: Unser lieber Vatter, der du bist Himmel, heiliget werde Nam, zrkommes d' Reich, dein Will schee Himmel ad Erden, gib uns Schuld, als wir unsern Schuldigern geba, führ uns nicht in kein bös Versucha, sondern erlös uns von dem Reich, und die Krafft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Ama.
Einsiedel: Bist du nie in die Kirchen gangen?
Simpl.: Ja ich kann wacker steigen und hab als ein ganzen Busem voll Kirschen gebrochen.
Einsiedel: Ich sage nicht von Kirschen, sondern von der Kirchen.
Simpl.: Haha, Kriechen, gelt es seind so kleine Pfläumlein? gelt du?
Einsiedel: Ach daß Gott walte, weißt du nichts von unserm Herrgott?
Simpl.: Ja, er ist daheim an unserer Stubentür gestanden auf dem Helgen, mein Meuder hat ihn von der Kürbe mitgebracht, und hingekleibt.
Einsiedel: Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was