Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 114)

die Mittel, sie durch ein ander Kleid oder weiße Hemder abzuschaffen, sondern mußte mich mit ihnen schleppen, und Leib und Blut zum besten geben; wenn sie mich dann so unter dem Harnisch plagten und nagten, so wischte ich mit einer Pistoln heraus, als ob ich hätte Kuglen mit ihnen wechseln wollen, nahm aber nur den Ladstecken und stieße sie damit von der Kost; endlich erfand ich die Kunst, daß ich einen Belzfleck darum wickelte und ein artlich Klebgarn vor sie zurichtete; wann ich dann mit diesem Lausangel unter den Harnisch fuhr, fischte ich sie dutzendweis aus ihrem Vortel, welchen ich miteinander die Häls über das Pferd abstürzte; es mochte aber wenig erklecken.

Einsmals wurde mein Obristleutenant kommandiert, eine Cavalcada mit einer starken Partei in Westfalen zu tun, und wäre er damals so stark an Reutern gewesen als ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt erschreckt; weil solches aber nicht war, mußte er behutsam gehen, auch solcher Ursachen halber sich in der Gemmer Mark (das ist ein so genannter Wald zwischen Hamm und Soest) heimlich halten; damals wars mit den Meinigen aufs höchste kommen; sie quälten mich so hart mit Minieren, daß ich sorgte, sie möchten sich gar zwischen Fell und Fleisch hineinlogieren. Kein Wunder ists, daß die Brasilianer ihre Läus aus Zorn und Rachgier fressen, weil sie einen so drängen! Einmal, ich getraute meine Pein nicht länger zu gedulden, sondern gienge als teils Reuter fütterten, teils schlieffen und teils Schildwacht hielten, ein wenig beiseits unter einen Baum, meinen Feinden eine Schlacht zu liefern zu solchem End zog ich den Harnisch aus, unangesehen andere denselben anziehen, wann sie fechten wollen, und fienge ein solches Würgen und Morden an, daß mir gleich beide Schwerder an den Daumen von Blut trieften und voller toten Körper, oder vielmehr Bälg hiengen; welche ich aber nicht umbringen mochte, die verwiese ich ins Elend und ließ sie unter dem Baum herumspazieren. So oft mir diese Rencontre zu Gedächtnus kommt, beißt mich die Haut noch allenthalben, natürlich als ob ich noch mitten in der Schlacht begriffen wäre. Ich dachte zwar, ich sollte nicht so wider mein eigen Geblüt wüten, vornehmlich wider so getreue Diener, die sich mit einem henken und radbrechen ließen, und auf deren Menge ich oft im freien Feld auf harter Erde sanft gelegen wäre; aber ich fuhr doch in meiner Tyrannei so unbarmherzig fort, daß ich auch nicht gewahr wurde, wie die Kaiserlichen meinen Obristleutenant chargierten, bis sie endlich auch an mich kamen, die arme Läus entsetzten und mich selbst gefangennahmen; dann diese scheuten meine Mannheit gar nicht, vermittelst deren ich kurz zuvor viel tausend erlegt und den Titul eines Schneiders (sieben auf einen Streich) überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner, und die beste Beut die er von mir hatte, war meines Obristleutenants Küriß, welchen er zu Soest, da er im Quartier lag, dem Kommandanten ziemlich wohl verkaufte. Also wurde er im Krieg mein sechster Herr, weil ich sein Jung sein mußte.

Das 29. Kapitel

Wie es einem frommen Soldaten im Paradeis so wohl

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