Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 117)

anzugreifen, dann hätte ers getan, so wäre ihm die Bärnhaut entgangen, auf welcher er denselbigen Winter im Paradeis liegen konnte, und wäre ein anderer nackender Kerl an seine Statt gesetzt worden; mit der Weis aber mußte ihn der Hauptmann wohl liegen lassen, wollte er anders sein ausgeliehen Geld wiederhaben. Von dieser Zeit an hatten wir das allerfäulste Leben von der Welt, in welchem Keglen unser allergrößte Arbeit war; wann ich meines Dragoners Klepper gestriegelt, gefüttert und getränkt hatte, so trieb ich das Junkernhandwerk und gieng spazieren; das Kloster war auch von den Hessen, unserm Gegenteil, von der Lippstadt aus, mit einem Musketier salvaguardiert; derselbe war seines Handwerks ein Kürschner und dahero nicht allein ein Meistersänger, sondern auch ein trefflicher Fechter, und damit er seine Kunst nicht vergäße, übte er sich täglich mit mir vor die lange Weil in allen Gewehren, wovon ich so fix wurde, daß ich mich nicht scheute ihm Bescheid zu tun wann er wollte; mein Dragoner aber kegelte anstatt des Fechtens mit ihm, und zwar um nichts anders, als wer über Tisch das meiste Bier aussaufen mußte: damit gieng eines jeden Verlust übers Kloster.

Das Stift vermochte ein eigene Wildbahn und hielte dahero auch einen eigenen Jäger; und weil ich auch grün gekleidet war, gesellete ich mich zu ihm und lernete ihm denselben Herbst und Winter alle seine Künste ab, sonderlich was das kleine Waidwerk angelangt. Solcher Ursachen halber, und weil der Nam Simplicius etwas ungewöhnlich und den gemeinen Leuten vergeßlich oder sonst schwer auszusprechen war, nennete mich jedermann »dat Jäjerken«; dabei wurden mir alle Weg und Steg bekannt, welches ich mir hernach trefflich zunutz machte; wann ich aber wegen üblen Wetters in Wäldern und Feldern nicht herum konnte schwärmen, so lase ich allerhand Bücher, die mir des Klosters Verwalter leihete. Sobald aber die adeliche Klosterfrauen gewahr wurden, daß ich neben meiner guten Stimm auch auf der Lauten und etwas wenigs auf dem Instrument schlagen konnte, ermaßen sie auch mein Tun desto genauer, und weil eine ziemliche Leibsproportion und schönes Angesicht dazukam, hielten sie alle mein Sitten, Wesen, Tun und Lassen vor adelich; dergestalt nun mußte ich ohnversehens ein sehr beliebter Junker sein, über welchem man sich verwundert, daß er sich bei einem so liederlichen Dragoner behülfe.

Als ich nun solchergestalt denselben Winter in aller Wollust hingebracht hatte, wurde mein Herr abgelöst, welches ihm auf das gute Leben so arg tät, daß er darüber erkrankte; und weil auch ein starkes Fieber dazuschlug, zumalen auch die alte Mucken, die er sein Lebtag im Krieg aufgefangen, dazukamen, machte ers kurz, allermaßen ich in drei Wochen hernach etwas zu begraben hatte; ich machte ihm diese Grabschrift:

Der Schmalhans lieget hier, ein dapferer Soldat,

Der all sein Lebetag kein Blut vergossen hat.

Von Rechts und Gewohnheit wegen hätte der Hauptmann Pferd und Gewehr, der Führer aber die übrige Verlassenschaft zu sich nehmen und erben sollen; weil ich aber damals ein frischer aufgeschossener Jüngling war, und Hoffnung gabe, ich würde mit der Zeit meinen Mann nicht förchten, wurde mir alles zu überlassen angebotten, wenn ich mich an

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