Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 122)

voll Brod zugesellen möchte, konnte aber so leicht keines ersinnen, weil, wie obgemeldt, der Pfarrhof ummauret, und alle Fenster mit eisernen Gittern genugsam verwahret waren; so lagen auch zween ungeheure große Hund im Hof, welche, wie ich sorgte, bei Nacht gewißlich nicht schlafen würden, wann man dasjenige hätte stehlen wollen, daran ihnen auch zu Belohnung ihrer getreuen Hut zu nagen gebührte.

Wie wir nun in die Kirch kamen, von den Gemälden allerhand diskurierten und mir der Pfarrer etliche Stück auszubessern verdingen wollte, ich aber allerhand Ausflücht suchte, und meine Wanderschaft vorwandte, sagte der Mesner oder Glöckner: »Du Kerl, ich sehe dich ehe vor einen verloffenen Soldatenjungen an, als vor einen Malergesellen.« Ich war solcher Reden nicht mehr gewohnet, und sollte sie doch verschmirzen; doch schüttelt ich nur den Kopf ein wenig und antwortet ihm: »O du Kerl, gib mir nur geschwind Bensel und Farben her, so will ich dir in Hui einen Narrn dahergemalt haben, wie du einer bist.« Der Pfarrer machte ein Gelächter daraus und sagte zu uns beiden, es gezieme sich nicht an einem so heiligen Ort einander wahr zu sagen; gab damit zu verstehen, daß er uns beiden glaubte, ließ uns noch einen Trunk langen, und also dahinziehen. Ich aber ließe mein Herz bei den Knackwürsten.

Wir kamen noch vor Nacht zu unsern Gesellen, da ich meine Kleider und Gewehr wieder nahm, dem Hauptmann meine Verrichtung erzählet und sechs gute Kerl auslase, die das Brod heimtragen sollten helfen; wir kamen um Mitternacht ins Dorf und huben in aller Stille das Brod aus dem Ofen, weil wir einen bei uns hatten, der die Hund bannen konnte, und da wir bei dem Pfarrhof vorüber wollten, konnte ichs nicht übers Herz bringen, ohne Speck weiters zu passiern; ich stund einmals still und betrachtete mit Fleiß, ob nicht in des Pfaffen Küchen zu kommen sein möchte? sahe aber keinen andern Eingang als das Kamin, welches vor diesmal meine Tür sein mußte; wir trugen Brod und Gewehr auf den Kirchhof ins Beinhaus und brachten ein Leiter und Seil aus einer Scheur zuwegen, und weil ich so gut als ein Schornsteinfeger in den Kaminen auf- und absteigen konnte (als welches ich von Jugend auf in den hohlen Bäumen gelernet hatte), stiege ich selbander aufs Dach, welches von hohlen Ziegeln doppelt belegt und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebaut war: Ich wickelte meine lange Haar über dem Kopf auf einen Büschel zusammen, ließ mich mit einem End des Seils hinunder zu meinem geliebten Speck und band einen Schinken nach dem andern, und eine Speckseite nach der andern an das Seil, welches der auf dem Dach fein ordentlich zum Dach hinausfischete, und den andern in das Beinhäuslein zu tragen gabe. Aber potz Unstern! da ich allerdings Feirabend gemacht hatte und wieder übersich wollte, brach eine Stange mit mir, also daß der arme Simplicius herunderfiele und der elende Jäger sich selbst wie in einer Mausfallen gefangen befande: Meine Kameraden auf dem Dach ließen das Seil herunder, mich wieder hinaufzuziehen, aber es zerbrach, ehe sie mich vom Boden brachten.

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