Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 145)
Freunden zu machen, so sonsten Ursach gehabt hätten, mich zu hassen.
Das 9. Kapitel
Ein ungleicher Kampf, in welchem der Schwächste obsieget, und der Überwinder gefangen wird.
Meine Hoffart vermehrte sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts anders als mein Fall erfolgen konnte; ungefähr ein halbe Stund von Rehnen kampierten wir, als ich mit meinen besten Kameraden Erlaubnus begehrte, in dasselbe Städtlein zu gehen, etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen, so wir auch erhielten. Weil aber unser Meinung war, sich einmal rechtschaffen miteinander lustig zu machen, kehrten wir im besten Wirtshaus ein und ließen Spielleut kommen, die uns Wein und Bier hinundergeigen mußten: Da giengs in floribus her, und blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe tun möchte, ja ich hielte Bursch von andern Regimentern zu Gast und stellte mich nicht anders, als wie ein junger Prinz, der Land und Leut vermag und alle Jahr ein groß Geld zu verzehren hat. Dahero wurde uns auch besser als einer Gesellschaft Reuter, die gleichfalls dort zehrte, aufgewartet, weils jene nicht so doll hergehen ließen; das verdroß sie, und fiengen an mit uns zu kippeln. »Woher kommts«, sagten sie untereinaner, »daß diese Stiegelhupfer (dann sie hielten uns vor Musketierer, maßen kein Tier in der Welt ist, das einem Musketierer gleicher siehet als ein Dragoner, und wenn ein Dragoner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer wieder auf) ihre Heller so weisen?« Ein anderer antwortet: »Jener Säugling ist gewiß ein Strohjunker, dem seine Mutter etliche Milchpfenning geschickt, die er jetzo seinen Kameraden spendiert, damit sie ihn künftig irgendswo aus dem Dreck oder etwan durch ein Graben tragen sollen.« Mit diesen Worten zieleten sie auf mich, dann ich wurde vor einen jungen Edelmann bei ihnen angesehen. Solches wurd mir durch die Kellerin hinderbracht, weil ichs aber nicht selbst gehört, konnte ich anders nichts dazu tun, als daß ich ein groß Bierglas mit Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller rechtschaffenen Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen Alarm dazu machen ließe, daß keiner sein eigen Wort hören konnte; das verdroß sie noch mehr, derowegen sagten sie offentlich: »Was Teufels haben doch die Stiegelhüpfer vor ein Leben?« Springinsfeld antwortet: »Was gehts die Stiefelschmierer an?« Das gieng ihm hin, dann er sahe so gräßlich drein, und machte so grausame und bedrohliche Mienen, daß sich keiner an ihn reiben dorfte. Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einen ansehnlichen Kerl, der sagte: »Und wenn sich die Maurenscheißer auch auf ihrem Mist (er vermeinte, wir lägen da in der Garnison, weil unsere Kleidungen nicht so wetterfärbig aussahen wie derjenigen Musketierer, die Tag und Nacht im Feld liegen) nicht so breit machen dürften, wo wollten sie sich dann sehen lassen? man weiß ja wohl, daß jeder von ihnen in offenen Feldschlachten unser Raub sein muß, gleichwie die Daub eines jeden Stoßfalken!« Ich antwortet ihm: »Wir müssen Städt und Festungen einehmen, und solche werden uns auch zu verwahren vertrauet, da hingegen ihr Reuter auch vor dem geringsten Rattennest keinen Hund aus dem Ofen locken könnet; warum wollten wir sich dann in