Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 150)
vördere Boden benommen war) losgehen, gleich ob es drei Losungsschüsse hätten sein sollen; das donnert dermaßen, daß jedermann Stein und Bein verschworen hätte, es wären Quartierschlangen oder halbe Kartaunen gewesen; unser Generalfeldzeugmeister mußte der Gaukelfuhr lachen und ließ dem Feind abermal einen Akkord anbieten, mit dem Anhang, wann sie sich nicht noch diesen Abend bequemen würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so gut werden sollte: Darauf wurden alsbald beiderseits Geisel geschickt, der Akkord geschlossen, und uns noch dieselbige Nacht ein Tor der Stadt eingegeben. Welches mir trefflich zugut kame, dann der Graf schenkte mir nicht allein das Leben, das ich kraft seines Verbotts verwürkt hatte, sondern ließ mich noch selbige Nacht auf freien Fuß stellen und befohl dem Obristleutenant in meiner Gegenwart, daß er mir das erste Fähnlein, so ledig würde, geben sollte: Welches ihm aber ungelegen war, dann er hatte der Vettern und Schwäger so viel, die aufpaßten, daß ich vor denselben nicht zugelassen werden konnte.
Das 11. Kapitel
Hält allerhand Sachen in sich, von geringer Wichtigkeit und großer Einbildung.
Es begegnete mir auf demselbigen Marsch nichts Merkwürdiges mehr; da ich aber wieder nach Soest kam, hatten mir die lippstädtische Hessen meinen Knecht, den ich bei meiner Bagage im Quartier gelassen, samt einem Pferd auf der Waid hinweggefangen; von demselben erkündigte der Gegenteil mein Tun und Lassen, dahero hielten sie mehr von mir als zuvor, weil sie hiebevor durch das gemeine Geschrei beredt worden, zu glauben, daß ich zaubern könnte. Er erzählte ihnen auch, daß er einer von denen Teufeln gewesen seie, die den Jäger von Werle auf der Schäferei so erschröckt hätten; da solches erstbesagter Jäger erfuhr, schämte er sich so sehr, daß er abermal das Reißaus spielete und von Lippstadt zu den Holländern lieffe: Aber es war mein größtes Glück, daß mir dieser Knecht gefangen worden, maßen aus der Folge meiner Histori zu vernehmen sein wird.
Ich fienge an mich etwas reputierlicher zu halten als zuvor, weil ich so stattliche Hoffnung hatte, in Bälde ein Fähnlein zu haben; ich gesellete mich allgemach zu den Offiziern und jungen Edelleuten, die eben auf dasjenige spanneten, was ich in Bälde zu kriegen mir einbildete; diese waren deswegen meine ärgste Feinde, und stellten sich doch gegen mir als meine beste Freunde; so war mir der Obristleutenant auch nicht so gar grün, weil er Befelch hätte, mich vor seinen Verwandten zu befördern; mein Hauptmann war mir darum abhold, weil ich mich an Pferden, Kleidern und Gewehr viel braver hielte als er, und dem alten Geizhals nicht mehr wie hiebevor spendierte; er hätte lieber gesehen, das mir neulich der Kopf hinweggeschlagen, als ein Fähnlein versprochen worden wäre, denn er gedachte meine schöne Pferd zu erben; so haßte mich mein Leutenant eines einzigen Worts halber, das ich neulich unbedachtsam laufen lassen; das fügte sich also: Wir waren miteinander in letzter Cavalcada kommandiert, eine gleichsam verlorne Wacht zu halten; als nun das Schildwachthalten an mir war (welches liegend geschehen mußte, unangesehen es stockfinster Nacht war), kroche er, Leutenant, auch auf dem Bauch zu mir, wie ein