Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 16)

mit meinem Vatter (dann also mußte ich den Einsiedel nennen) lang genug schwätzen können? ich siehe wohl, daß ihr auch dem armen Knan seine Schaf heimtreibt, und das Haus angezündet habt, halt, halt, ich will dies Feuer noch wohl leschen«, damit stunde ich auf Wasser zu holen, weil mich die Not vorhanden zu sein bedunkte. »Wohin Simplici?« sagt der Einsiedel, den ich hinder mir nicht wußte. »Ei Vatter«, sagte ich, »da sind auch Krieger, die haben Schaf und wollens wegtreiben, sie habens dem armen Mann genommen, mit dem du erst geredet hast, so brennet sein Haus auch schon liechterlohe, und wann ich nicht bald lesche, so wirds verbrennen«, mit diesen Worten zeigte ich ihm mit dem Finger, was ich sahe. »Bleib nur«, sagte der Einsiedel, »es ist noch keine Gefahr vorhanden.« Ich antwortete, meiner Höflichkeit nach: »Bist du dann blind? Wehre du, daß sie die Schaf nicht forttreiben, so will ich Wasser holen.« »Ei«, sagte der Einsiedel, »diese Bilder leben nicht, sie seind nur gemacht, uns vorlängst geschehene Dinge vor Augen zu stellen«; ich antwortet: »Du hast ja erst mit ihnen geredt, warum wollten sie dann nicht leben?« Der Einsiedel mußte wider seinen Willen und Gewohnheit lachen, und sagte: »Liebes Kind, diese Bilder können nicht reden, was aber ihr Tun und Wesen sei, kann ich aus diesen schwarzen Linien sehen, welches man lesen nennet, und wann ich dergestalt lese, so hältest du davor, ich rede mit den Bildern, so aber nichts ist.« Ich antwortet: »Wann ich ein Mensch bin wie du, so müßte ich auch an denen schwarzen Zeilen können sehen, was du kannst, wie soll ich mich in dein Gespräch richten? Lieber Vatter, berichte mich doch eigentlich, wie ich die Sach ver­stehen solle.« Darauf sagte er: »Nun wohlan mein Sohn, ich will dich lehren, daß du so wohl als ich mit diesen Bildern wirst reden können, allein wird es Zeit brauchen, in welcher ich Gedult, und du Fleiß anzulegen.« Demnach schriebe er mir ein Alphabet auf birkene Rinden, nach dem Druck formiert, und als ich die Buchstaben kennete, lernete ich buchstabieren, folgends lesen, und endlich besser schreiben, als es der Einsiedel selber konnte, weil ich alles dem Druck nachmalet.

Das 11. Kapitel

Redet von Essenspeis, Hausrat und andern notwendigen Sachen, die man in diesem zeitlichen Leben haben muß.

Zwei Jahr ungefähr, nämlich bis der Einsiedel gestorben, und etwas länger als ein halbes Jahr nach dessen Tod, bin ich in diesem Wald verblieben; derohalben siehet mich vor gut an, dem kuriosen Leser, der auch oft das geringste wissen will, unser Tun, Handel und Wandel, und wie wir unser Leben durchgebracht, zu erzählen.

Unsere Speis war allerhand Gartengewächs, Rüben, Kraut, Bohnen, Erbsen und dergleichen; wir verschmäheten auch keine Buchen, wilde Äpfel, Birn, Kirschen, ja die Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm; das Brot, oder besser zu sagen, unsere Kuchen backten wir in heißer Aschen aus zerstoßenem welschen Korn, im Winter fiengen wir Vögel mit Sprinken und Stricken, im Frühling und Sommer aber bescherte uns Gott Junge aus den Nestern; wir behalfen

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