Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 18)
nicht ab, mich in allem Guten getreulichst zu unterweisen; unterdessen lernete ich in solchem harten Leben Hunger, Durst, Hitz, Kälte und große Arbeit überstehen, und zuvorderst auch Gott erkennen, und wie man ihm rechtschaffen dienen sollte, welches das vornehmste war. Zwar wollte mich mein getreuer Einsiedel ein mehrers nicht wissen lassen, dann er hielte davor, es seie einem Christen genug, zu seinem Ziel und Zweck zu gelangen, wann er nur fleißig bete und arbeite; dahero es kommen, ob ich zwar in geistlichen Sachen ziemlich berichtet wurde, mein Christentum wohl verstunde, und die teutsche Sprach so schön redete, als wann sie die Orthographia selbst ausspräche, daß ich dennoch der Einfältigste verbliebe; gestalten ich, wie ich den Wald verlassen, ein solcher elender Tropf in die Welt war, daß man keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte locken können.
Das 12. Kapitel
Vermerkt ein schöne Art, selig zu sterben und sich mit geringem Unkosten begraben zu lassen.
Zwei Jahr ungefähr hatte ich zugebracht, und das harte eremitisch Leben kaum gewohnet, als mein bester Freund auf Erden seine Haue nahm, mir aber die Schaufel gab, und mich seiner täglichen Gewohnheit nach an der Hand in unsern Garten führte, da wir unser Gebet zu verrichten pflegten. »Nun Simplici, liebes Kind«, sagte er, »dieweil Gott Lob die Zeit vorhanden, daß ich aus dieser Welt scheiden, die Schuld der Natur bezahlen, und dich in dieser Welt hinder mir verlassen solle, zumalen deines Lebens künftige Begegnussen beiläufig sehe, und wohl weiß, daß du in dieser Einöde nicht lang verharren wirst, so hab ich dich auf dem angetrettenen Weg der Tugend stärken, und dir einige Lehren zum Unterricht geben wollen, vermittelst deren du, als nach einer ohnfehlbaren Richtschnur, zur ewigen Seligkeit zu gelangen, dein Leben anstellen sollest, damit du mit allen heiligen Auserwählten das Angesicht Gottes in jenem Leben ewiglich anzuschauen gewürdiget werdest.«
Diese Wort setzten meine Augen ins Wasser, wie hiebevor des Feinds Erfindung die Stadt Villingen, einmal, sie waren mir so unerträglich, daß ich sie nicht ertragen könnte, doch sagte ich: »Herzliebster Vatter, willst du mich dann allein in diesem wilden Wald verlassen? soll dann«: mehrers vermochte ich nicht herauszubringen, dann meines Herzens Qual ward aus überflüssiger Lieb, die ich zu meinem getreuen Vatter trug, also heftig, daß ich gleichsam wie tot zu seinen Füßen niedersank; er hingegen richtet mich wieder auf, tröstet mich so gut es Zeit und Gelegenheit zuließe, und verwiese mir gleichsam fragend meinen Fehler, ob ich nämlich der Ordnung des Allerhöchsten widerstreben wollte? »Weißt du nicht«, sagt er weiters, »daß solches weder Himmel noch Höll zu tun vermögen? Nicht also, mein Sohn! was unterstehest du dich, meinem schwachen Leib (welcher vor sich selbst der Ruhe begierig ist) aufzubürden? Vermeinest du mich zu nötigen, länger in diesem Jammertal zu leben? Ach nein, mein Sohn, lasse mich fahren, sintemal du mich ohne das weder mit Heulen noch Weinen, und noch viel weniger mit meinem Willen, länger in diesem Elend zu verharren wirst zwingen können, indem ich durch Gottes austrücklichen Willen daraus gefordert werde; folge anstatt