Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 153)
Leut von mir hielten oder meine Mißgönner von mir sagten; diese letztere wünschten mir ohn Zweifel, daß ich Hals und Bein brechen sollte, weil sie mirs nicht gleichtun konnten; andere aber gedachten gewißlich, wann jedermann das Seinig hätte, daß ich nicht so doll daherziehen würde; in Summa, die Allerklügste müssen mich ohn allen Zweifel vor einen jungen Lappen gehalten haben, dessen Hoffart notwendig nicht lang dauren würde, weil sie auf einem schlechten Fundament bestünde und nur aus ungewissen Beuten unterhalten werden müßte. Und wann ich selber die Wahrheit bekennen soll, muß ich gestehen, daß diese letztere nicht unrecht urteilten, wiewohl ichs damals nicht verstunde, dann es war nichts anders mit mir, als daß ich meinem Mann oder Gegenteil das Hemd hätte rechtschaffen heiß machen können, wenn einer mit mir zu tun hätte bekommen, also daß ich wohl vor einen einfachen guten Soldaten hätte passieren können, wiewohl ich gleichsam noch ein Kind war. Aber diese Ursach macht mich so groß, daß jetziger Zeit der geringste Roßbub den allerdapfersten Helden von der Welt totschießen kann; wäre aber das Pulver noch nit erfunden gewesen, so hätt ich die Pfeife wohl im Sack müssen stecken lassen.
Meine Gewohnheit war, wenn ich so herumterminierte, daß ich alle Weg und Steg, alle Gräben, Moräst, Büsch, Bühel und Wasser beritten, dieselbige mir bekannt machte und ins Gedächtnus faßte, damit wanns etwan an ein oder anderm Ort künftig eine Okkasion setzte, mit dem Feind zu scharmützeln, ich mir des Orts Gelegenheit beides, offensive und defensive zunutz machen könnte. Zu solchem End ritte ich einsmals ohnweit der Stadt bei einem alten Gemäur vorüber, darauf vorzeiten ein Haus gestanden; im ersten Anblick gedachte ich, dies wäre ein gelegener Ort, darin aufzupassen oder sich dahin zu retiriern, sonderlich vor uns Dragoner, wenn wir von Reutern übermannt und gejagt werden sollten: Ich ritte in den Hof, dessen Gemäur ziemlich verfallen war, zu sehen, ob man sich auch auf den Notfall zu Pferd dahin salviern, und wie man sich zu Fuß daraus wehren könnte. Als ich nun zu solchem End alles genau besichtigen und bei dem Keller, dessen Gemäur noch rundumher aufrechtstunde, vorüberreuten wollte, konnte ich mein Pferd, welches sonst im geringsten nichts scheuete, weder mit Lieb noch Leid nicht hinbringen, wo ichs hin wollte; ich sporte es, daß michs dauerte, aber es half nichts! ich stieg ab und führt es an der Hand die verfallene Kellerstegen hinunder, wovon es doch scheuete, damit ich mich ein andermal danach richten könnte; aber es hufte zurück, so sehr es immer mochte; doch brachte ichs endlich mit guten Worten und Streichen hinunder, und indem ichs striche und ihm liebkoste, wurde ich gewahr, daß es vor Angst schwitzte und die Augen stets in ein Eck des Kellers richtete, dahin es am allerwenigsten wollte und ich auch das geringste nicht sahe, darob der schlimmste Kollerer hätte wetterläunisch werden mögen. Als ich nun so mit Verwunderung dastunde und dem Pferd zusahe, wie es vor Forcht zitterte, kam mich auch ein solches Grausen an, daß mir nicht anderst wurde, als ob