Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 155)
ihn nur recht zu verwahren und anzulegen gewußt hätte: Es waren aber sechs Dutzend altfränkische silberne Tischbecher, ein groß gülden Pokal, etliche Duplet, vier silberne und ein güldenes Salzfaß, ein altfränkische güldne Kette, unterschiedliche Demant, Rubin, Saphir und Schmaragd, beides in Ringen und andern Kleinodien gefaßt, item ein ganz Lädlein voll großer Perlen, aber alle verdorben oder abgestanden, und dann in einem versporten ledernen Sack achtzig von den ältsten Joachimstalern aus feinem Silber, sodann 893 Goldstücke mit dem französischen Wappen und einem Adler, welche Münz niemand kennen wollte, weil man, wie sie sagten, die Schrift nicht lesen konnte. Diese Münz, die Ring und Kleinodien steckte ich in meine Hosensäck, Stiefeln, Hosen und Pistolhalftern, und weil ich keinen Sack bei mir hatte, sintemal ich nur spazieren geritten war, schnitte ich meine Schaberack vom Sattel und packte in dieselbige (weil sie gefüttert war und mir gar wohl vor einen Sack dienen konnte) das übrig Silbergeschirr, henkte die güldene Kette an Hals, saße fröhlich zu Pferd, und ritte meinem Quartier zu. Wie ich aber aus dem Hof kam, wurde ich zweier Bauren gewahr, welche davonlaufen wollten, sobald sie mich sahen; ich ereilte sie leichtlich, weil ich sechs Füße und ein eben Feld hatte und fragte sie, warum sie hätten wollen ausreißen? und warum sie sich so schröcklich förchteten? Da erzählten sie mir, daß sie vermeint hätten, ich wäre das Gespenst, das in gegenwärtigem öden Edelhof wohne, welches die Leute, wenn man ihm zu nahe käme, elendiglich zu traktieren pflege; und als ich ferner um dessen Beschaffenheit fragte, gaben sie mir zur Antwort, daß aus Forcht des Ungeheuers oft in vielen Jahren kein Mensch an denselben Ort komme, es sei dann jemand Fremder, der verirre, und ungefähr dahin gerate: Die gemeine Sag gienge im Land, es wäre ein eiserner Trog voller Gelds darinnen, den ein schwarzer Hund hüte, zusamt einer verfluchten Jungfrauen; und wie die alte Sag gienge, sie auch selbsten von ihren Großeltern gehört hätten, so sollte ein fremder Edelmann, der weder seinen Vatter noch Mutter kenne, ins Land kommen, dieselbe Jungfrau erlösen, den eisernen Trog mit einem feurigen Schlüssel aufschließen und das verborgen Geld davonbringen. Dergleichen albere Fabeln erzählten sie mir noch viel, weil sie aber gar zu schlecht klingen, will ich geliebter Kürze halber abbrechen. Hernach fragte ich sie, was sie beide dann da gewollt hätten, da sie doch ohndas nicht in das Gemäur gehen dürften? Sie antworteten, sie hätten einen Schuß samt einem lauten Schrei gehöret, da seien sie zugeloffen, zu sehen, was da zu tun sein möchte? Als ich ihnen aber sagte, daß ich zwar geschossen hätte, der Hoffnung, es würden Leut zu mir ins Gemäur kommen, weil mir auch ziemlich angst worden, wüßte aber von keinem Geschrei nichts: Da antworteten sie: »Man möchte in diesem Schloß lang hören schießen, bis jemand hineinlauft aus unserer Nachbarschaft; dann es ist in Wahrheit so abenteurlich damit beschaffen, daß wir dem Junkern nicht glauben würden, wenn er sagte, er wäre darinnen gewesen, dafern wir ihn nicht selbst wieder heraus hätten sehen reuten.«