Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 161)

seinen Einzug gehalten hätte.

Wir Gefangene wurden strack zum Kommandanten geführt, welcher sich sehr über meine Jugend verwundert; er fragte mich, ob ich nie auf schwedischer Seiten gedient hätte, und was ich vor ein Landsmann wäre? Als ich ihme nun die Wahrheit sagte, wollte er wissen, ob ich nicht Lust hätte, wieder auf ihrer Seiten zu bleiben? Ich antwortet ihm, daß es mir sonst gleich gülte, allein weil ich dem Römischen Kaiser einen Eid geschworen hätte, so dünkte mich, es gebühre mir solchen zu halten. Darauf befohl er uns zum Gewaltiger zu führen, und erlaubte doch dem Kornett auf sein Anhalten, uns zu gastiern, weil ich hiebevor meine Gefangene (darunter sein Bruder sich befunden) auch solchergestalt traktiert hätte. Da nun der Abend kam, fanden sich unterschiedliche Offizier, sowohl Soldaten von Fortun als geborne Cavallier, beim Kornett ein, der mich und den Korporal auch holen ließe; da wurde ich, die Wahrheit zu bekennen, von ihnen überaus höflich traktiert: Ich machte mich so lustig, als ob ich nichts verloren gehabt, und ließe mich so verträulich und offenherzig vernehmen, als ob ich bei keinem Feind gefangen, sondern bei meinen allerbesten Freunden wäre; dabei beflisse ich mich der Bescheidenheit, soviel mir immer müglich war, denn ich konnte mir leicht einbilden, daß dem Kommandanten mein Verhalten wieder notifiziert würde, so auch geschehen, maßen ich nachmals erfahren.

Den andern Tag wurden wir Gefangene, und zwar einer nach dem andern vor den Regimentsschulzen geführt, welcher uns examinierte; der Korporal war der erste, und ich der ander. Sobald ich in den Saal trat, verwundert er sich auch über meine Jugend, und sagte, mir solche vorzurucken: »Mein Kind, was hat dir der Schwed getan, daß du wider ihn kriegest?« Das verdroß mich, vornehmlich da ich ebenso junge Soldaten bei ihnen gesehen, als ich war, antwortet derhalben: »Die schwedische Krieger haben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genommen, die wollte ich gern wieder holen.« Da ich ihn nun dergestalt bezahlte, schämten sich seine beisitzende Offizier, maßen einer anfieng auf Latein zu sagen: Er sollte von ernstlichen Sachen mit mir reden, er hörte wohl, daß er kein Kind vor sich hätte. Da merkte ich, daß er Eusebius hieße, weil ihn derselbige Offizier so nennte; darauf fragte er mich um meinen Namen, und nachdem ich ihm denselben genennet, sagte er: »Es ist kein Teufel in der Höll, der Simplicissimus heißet.« Da antwortet ich: »So ist auch vermutlich keiner in der Höll, der Eusebius heißt!« Bezahlte ihn also wie unsern Musterschreiber Cyriacum, so aber von den Offiziern nicht am besten aufgenommen wurde, maßen sie mir sagten, ich sollte mich erinnern, daß ich ihr Gefangener seie, und nicht Scherzens halber hergeholt worden wäre. Ich wurde dieses Verweises wegen drum nicht rot, bate auch nicht um Verzeihung, sondern antwortete: Weil sie mich vor einen Soldaten gefangen hielten und nicht vor ein Kind wieder laufen lassen würden, so hätte ich mich versehen, daß man mich auch nicht als ein Kind gefoppt hätte; wie man mich gefragt, so hätte ich geantwortet, hoffte auch, ich würde nicht unrecht daran getan haben.

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