Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 163)
sondern nur ein Pferdjung gewesen, daß dannenher ich nicht verbunden sei, schwedische Dienste anzunehmen und dadurch den Eid zu brechen, den ich dem Römischen Kaiser geschworen, derowegen meinen Hochgeehrten Herrn Obristen allergehorsamst bittend, Er beliebe mich dieser Zumutung zu überheben,« »Was«, sagt der Obriste, »verachtet Ihr dann die schwedische Dienste? Ihr müßt wissen, daß Ihr mein Gefangener seid, und ehe ich Euch wieder nach Soest lasse, dem Gegenteil zu dienen, ehe will ich Euch einen andern Prozeß weisen oder im Gefängnus verderben lassen.«
Danach wisse ich mich zu richten. Ich erschrak zwar über diese Wort, gab mich aber drum noch nicht, sondern antwortete: Gott wolle mich vor solcher Verachtung sowohl als vorm Meineid behüten; im übrigen stünde ich in undertäniger Hoffnung, der Herr Obriste würde mich seiner weitberühmten Diskretion nach wie einen Soldaten traktiern. »Ja«, sagte er, »ich wüßte wohl, wie ich Euch traktieren könnte, da ich der Strenge nach prozedieren wollte; aber bedenkt Euch besser, damit ich nicht Ursachen ergreife, Euch etwas anders zu weisen.« Darauf wurde ich wieder ins Stockhaus geführt.
Jedermann kann unschwer erachten, daß ich dieselbe Nacht nicht viel geschlafen, sondern allerhand Gedanken gehabt habe; den Morgen aber kamen etliche Offizier mit dem Kornett, so mich gefangen bekommen, zu mir, unterm Schein, mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit aber mir weiszumachen, als ob der Obriste gesinnt wäre, mir als einem Zauberer den Prozeß machen zu lassen, da ich mich nicht anders bequemen würde. Wollten mich also erschrecken und sehen, was hinder mir steckte; weil ich mich aber meines guten Gewissens tröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an und redete nicht viel, merkte dabei, daß es dem Obristen um nichts anders zu tun war, als daß er mich ungern in Soest sahe; so konnte er sich auch leicht einbilden, daß ich selbigen Ort, wann er mich ledig ließe, wohl nicht verlassen würde, weil ich meine Beförderung dort hoffte und noch zwei schöne Pferd und sonst köstliche Sachen allda hatte. Den folgenden Tag ließe er mich wieder zu sich kommen und fragte, ob ich mich auf ein und anders resolviert hätte? Ich antwortet: »Dies, Herr Obrister, ist mein Entschluß, daß ich ehe sterben, als meineidig werden will! Wenn aber mein Hochgeehrter Herr Obrist mich auf freien Fuß zu stellen und mit keinen Kriegsdiensten zu belegen belieben wird, so will ich dem Herrn Obristen mit Herz, Mund und Hand versprechen, in sechs Monaten keine Waffen wider die Schwed- und Hessische zu tragen oder zu gebrauchen.« Solches ließ ihm der Obrist stracks gefallen, botte mir darauf die Hand und schenkte mir zugleich die Ranzion, befohl auch dem Secretario, daß er deswegen einen Revers in duplo aufsetzte, den wir beide unterschrieben, darin er mir Schutz, Schirm und alle Freiheit, solang ich in der ihme anvertrauten Festung verbliebe, versprach: Ich hingegen reversierte mich über obige zwei Punkten, daß ich, solang ich mich in derselben Festung aufhalten würde, nichts Nachteiliges wider dieselbige Garnison und ihren Kommandanten praktizieren, noch etwas das ihr zu Nachteil und Schaden vorgenommen würde, verhehlen, sondern vielmehr deren Nutzen und Frommen