Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 165)
also den Winter, der nunmehr vor der Tür war, in Ruhe dahinzubringen, worzu ich dann Gelds genug wußte hinauszulangen, wann ich meinen Schatz zu Köln schon nicht angriffe: In solcher Zeit, gedachte ich, wächst du vollends aus und erlangst deine völlige Stärke und kannst dich danach auf den künftigen Frühling wieder desto dapferer unter die Kaiserliche Armee ins Feld begeben.
Des Morgens frühe anatomiert ich meinen Sattel, welcher weit besser gespickt war als derjenige, den der Kornett von mir bekommen; nachgehends ließ ich mein bestes Pferd vor des Obristen Quartier bringen und sagte zu ihm: Demnach ich mich resolviert, die sechs Monat, in welchen ich nicht kriegen dürfte, unter des Herrn Obristen Schutz allhier ruhig zuzubringen, als seien mir meine Pferd nichts nutz, um welche es schad wäre, wenn sie verderben sollten, bitte ihn derowegen, er wollte belieben, gegenwärtigem Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen zu gönnen und solches von mir als ein Zeichen dankbarer Erkantnus vor empfangene Gnaden unschwer annehmen: Der Obriste bedankte sich mit großer Höflichkeit und sehr courtoisen Offerten, schickte mir auch denselben Nachmittag seinen Hofmeister mit einem gemästen lebendigen Ochsen, zwei fetten Schweinen, einer Tonne Wein, vier Tonnen Bier, zwölf Fuder Brennholz, welches alles er mir vor mein neu Losament, das ich eben auf ein halb Jahr bestellt hatte, bringen und sagen ließe: Weil er sehe, daß ich bei ihm hausen wollte und sich leicht einbilden könnte, daß es im Anfang mit Viktualien schlecht bestellt seie, so schicke er mir zur Haussteur neben einem Trunk ein Stück Fleisch mit samt dem Holz, solches dabei kochen zu lassen, mit fernerm Anhang, dafern er mir in etwas beholfen sein könnte, daß ers nicht unterlassen wollte: Ich bedankte mich so höflich, als ich konnte, verehrte dem Hofmeister zwo Dukaten und bat ihn, mich seinem Herrn bestens zu rekommendieren.
Da ich sahe, daß ich meiner Freigebigkeit halber bei dem Obristen so hoch geehrt wurde, gedachte ich mir auch bei dem gemeinen Mann ein gutes Lob zu machen, damit man mich vor keinen kahlen Bärnhäuter hielte; ließe derowegen in Gegenwart meines Hauswirts meinen Knecht vor mich kommen; zu demselben sagte ich: »Lieber Niklas, du hast mir mehr Treu erwiesen, als ein Herr seinem Knecht zumuten darf, nun aber, da ichs um dich nicht zu verschulden weiß, weil ich dieser Zeit keinen Herrn und also auch keinen Krieg habe, daß ich etwas erobern könnte, dich zu belohnen, wie mirs wohl anstünde, zumal auch wegen meines stillen Lebens, das ich hinfort zu führen gedenke, keinen Knecht mehr zu halten bedacht, als gebe ich dir hiemit vor deinen Lohn das ander Pferd samt Sattel, Zeug und Pistolen, mit Bitt, du wollest damit vorliebnehmen und dir vor diesmal einen andern Herrn suchen; kann ich dir inskünftig in etwas bedient sein, so magst du jederzeit mich drum ersuchen.« Hierauf küßte er mir die Händ und konnte vor Weinen schier nicht reden, wollte auch durchaus das Pferd nicht nemmen, sondern hielte vor besser, ich sollte es versilbern und zu meinem Unterhalt gebrauchen; zuletzt überredt ich ihn doch, daß ers