Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 167)

zu beiden Teilen und bekam dahero täglich Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließe. Zum Organisten allda machte ich aus den Burgern die beste Kundschaft, weil ich die Musik liebte, und (ohne Ruhm zu melden) ein trefflich gute Stimm hatte, die ich bei mir nicht verschimmlen lassen wollte; dieser lernte mich, wie ich komponiern sollte, item auf dem Instrument besser schlagen sowohl als auch auf der Harpfen; so war ich ohnedas auf der Lauten ein Meister, schaffte mir dahero eine eigene und hatte schier täglich meinen Spaß damit: Wenn ich dann satt war zu musizieren, ließ ich den Kürschner kommen, der mich im Paradeis in allen Gewehren unterwiesen; mit demselben exerzierte ich mich, um noch perfekter zu werden. So erlangte ich auch beim Kommandanten, daß mich einer von seinen Konstablen die Büchsenmeistereikunst und etwas mit dem Feurwerk umzugehen um die Gebühr lernete. Im übrigen hielte ich mich sehr still und eingezogen, also daß sich die Leut verwunderten, wann sie sahen, daß ich stets über den Büchern saße wie ein Student, da ich doch Raubens und Blutvergießens gewohnt gewesen.

Mein Hausvatter war des Kommandanten Spürhund und mein Hüter, maßen ich merkte, daß er all mein Tun und Lassen demselben hinderbracht; ich konnte mich aber artlich darein schicken, dann ich gedachte des Kriegswesens kein einig Mal, und wann man davon redte, tät ich, als ob ich niemals kein Soldat gewesen und nur darum da wäre, meinen täglichen Exerzitien, deren ich erst gedacht, abzuwarten. Ich wünschte zwar, daß meine sechs Monat bald herum wären, es konnte aber niemand abnehmen, welchem Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem Obristen aufwartete, behielt er mich auch an seiner Tafel; da setzt es dann jezuweiln solche Diskurs, dadurch mein Vorsatz ausgeholt werden sollte; ich antwortet aber jederzeit so vorsichtig, daß man nicht wissen konnte, was Sinns ich seie. Einsmals sagte er zu mir: »Wie stehts Jäger? wollt Ihr noch nicht schwedisch werden? gestern ist mir ein Fähnrich gestorben.« Ich antwortet: »Hochgeehrter Herr Obrist, stehet doch einem Weib wohl an, wenn sie nach ihres Manns Tod nicht gleich wieder heurat; warum sollte ich mich dann nicht sechs Monat patientieren?« Dergestalt entgieng ich jederzeit und kriegte doch des Obristen Gunst länger je mehr, so gar, daß er mir sowohl in- als außerhalb der Festung herumzuspazieren vergonnte; ja ich dorfte endlich den Hasen, Feldhühnern und Vögeln nachstellen, welches seinen eigenen Soldaten nicht gegönnet war: So fischte ich auch in der Lipp und war so glückselig damit, daß es das Ansehen hatte, als ob ich beides, Fisch und Krebs aus dem Wasser bannen könnte. Darum ließ ich mir nur ein schlechtes Jägerkleid machen; in demselbigen striche ich bei Nacht (dann ich wußte alle Weg und Steg) in die Soestische Börde, und holte meine verborgene Schätz hin und wieder zusammen, schleppte solche in gedachte Festung, und ließ mich an, als ob ich ewig bei den Schweden wohnen wollte.

Auf demselbigen Weg kam die Wahrsagerin von Soest zu mir, die sagte: »Schau mein Soldat, hab dir hiebevor nicht wohl geraten, daß du

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