Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 173)

den Lutherischen zum Tisch des Herrn gangen!« Ich antwortet: »Der Herr Pfarrer hört ja wohl, daß ich ein Christ bin, und wann ich keiner wäre, so würde ich mich nicht so oft in der Predigt haben eingefunden; im übrigen aber gestehe ich, daß ich weder Petrisch noch Paulisch bin, sondern allein simpliciter glaube, was die zwölf Artikul des allgemeinen Heiligen Christlichen Glaubens in sich halten, werde mich auch zu keinem Teil vollkommen verpflichten, bis mich ein oder ander durch genugsame Erweisungen persuadiert zu glauben, daß es vor den andern die rechte wahre und allein seligmachende Religion habe.« »Jetzt«, sagte er, »glaube ich erst recht, daß Er ein kühnes Soldatenherz habe, sein Leben dapfer dran zu wagen, weil Er gleichsam ohne Religion und Gottesdienst auf den Alten Kaiser hinein dahinleben und so frevelhaftig seine Seligkeit in die Schanz schlagen darf! Mein Gott, wie kann aber ein sterblicher Mensch, der entweder verdammt oder selig werden muß, immermehr so keck sein? Ist der Herr in Hanau erzogen und nit anders im Christentum unterrichtet worden? Er sage mir doch, warum Er seiner Eltern Fußstapfen in der reinen christlichen Religion nicht nachfolget? Oder warum Er sich ebensowenig zu dieser, als zu einer andern begeben will, deren Fundamenta sowohl in der Natur als H. Schrift doch so sonnenklar am Tag liegen, daß sie auch in Ewigkeit weder Papist noch Lutheraner nimmermehr wird umstoßen können?« Ich antwortet: »Herr Pfarrer, das sagen auch alle andere von ihrer Religion; welchem soll ich aber glauben? vermeint der Herr wohl, es sei so ein Geringes, wenn ich einem Teil, den die andern zwei lästern und einer falschen Lehr bezüchtigen, meiner Seelen Seligkeit vertraue? Er sehe doch (aber mit meinen unparteischen Augen), was Conrad Vetter und Johannes Naß wider Lutherum, und hingegen Luther und die Seinige wider den Pabst, sonderlich aber Spangenberg wider Franziskum, der etlich hundert Jahr vor einen heiligen und gottseligen Mann gehalten worden, in offenen Druck ausgehen lassen; zu welchem Teil soll ich mich dann tun, wann je eins das ander ausschreiet, es sei kein gut Haar an ihm! vermeint der Herr Pfarrer, ich tue unrecht, wenn ich einhalte, bis ich meinen Verstand völliger bekomme und weiß, was schwarz oder weiß ist? Sollte mir wohl jemand raten, hineinzuplumpen, wie die Fliege in ein heißen Brei? O nein, das wird der Herr Pfarrer verhoffentlich mit gutem Gewissen nicht tun können; es muß ohnumgänglich eine Religion recht haben, und die andern beide unrecht; sollte ich mich nun zu einer ohne reiflichen Vorbedacht bekennen, so könnte ich ebensobald ein unrechte als die rechte erwischen, so mich hernach in Ewigkeit reuen würde; ich will lieber gar von der Straß bleiben, als nur irrlaufen; zudem seind noch mehr Religionen denn nur die in Europa, als die Armenier, Abyssiner, Griechen, Georgianer und dergleichen, und Gott geb was ich vor eine davon annehme, so muß ich mit meinen Religionsgenossen den andern allen widersprechen. Wird nun der Herr Pfarrer mein Ananias sein, so will ich ihm mit großer Dankbarkeit folgen, und die Religion annehmen, die er selbst

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