Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 175)
Es war aber nichts anders, als (wie an vielen Orten der Gebrauch ist) ein Königreich zu machen, maßen es eben an der H. drei König Abend war, dabei sollte ich zusehen, daß es recht zugienge, und die Ämter ohne Ansehung der Personen durch das Los ausgeteilt würden. Zu diesem Geschäft, bei welchem des Obristen Secretarius auch war, ließe der Obristleutenant Wein und Konfekt langen, weil er ein trefflicher Zechbruder und es ohnedas nach dem Nachtessen war; der Secretarius schrieb, ich lase die Namen, und die Jungfer zog die Zettel, ihre Eltern aber sahen zu; und ich mag eben nicht ausführlich erzählen, wie es hergangen, dann ich die erste Kundschaft an diesem Ort machte. Sie beklagten sich über die lange Winternächt und gaben mir damit zu verstehen, daß ich solche desto leichter zu passieren, wohl zu ihnen zu Liecht kommen dürfte, indem sie ohnedas keine besonders große Geschäften hätten. Dies war nun eben das, was ich vor längsten gewünscht.
Von diesem Abend an (da ich mich zwar nur ein wenig bei der Jungfer zutäppisch machte) fieng ich wieder auf ein neues an mit der Leimstangen zu laufen und am Narrenseil zu ziehen; also daß sich beides, die Jungfer und ihre Eltern einbilden mußten, ich hätte den Angel geschluckt, wiewohl mirs nicht halber Ernst war; ich butzte mich als nur gegen der Nacht, wenn ich zu ihr wollte, wie die Hexen, und den Tag über hatte ich mit den Liebesbüchern zu tun; daraus stellte ich Buhlenbrieflein an meine Liebste, eben als ob ich hundert Meil Wegs von ihr gewohnt hätte oder in viel Jahren nicht zu ihr käme; zuletzt machte ich mich gar gemein, weil mir meine Leffelei nicht sonderlich von den Eltern gewehrt, sondern zugemutet ward, ich sollte ihre Tochter auf der Lauten lernen schlagen. Da hatte ich nun einen freien Zutritt, bei Tag sowohl als hiebevor des Abends, also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen:
Ich und eine Fledermaus
Fliegen nur bei Nachte aus
änderte und ein Liedlein machte, in welchem ich mein Glück lobte, weil es mir auf so manchen guten Abend auch so freudenreiche Täg verliehe, an denen ich in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen weiden und mein Herz um etwas erquicken könnte; hingegen klagte ich auch in eben demselbigen Lied über mein Unglück und bezüchtigte dasselbige, daß es mir die Nächt verbittere, und mir nicht gönnete, solche auch wie die Täg mit liebreicher Ergetzung hinzubringen; und ob es zwar um etwas zu frei kam, so sange ichs doch meiner Liebsten mit andächtigen Seufzen und einer lustreizenden Melodei, dabei die Laute das ihrig trefflich tät und gleichsam die Jungfer mit mir bate, sie wollte doch kooperieren, daß mir die Nächte so glücklich als die Täge bekommen möchten; aber ich bekam ziemlich abschlägige Antwort, dann sie war trefflich klug und konnte mich auf meine Erfindungen, die ich bisweilen artlich anbrachte, gar höflich beschlagen. Ich nahm mich gar wohl in acht, von der Verehelichung zu schweigen, ja wenn schon diskursweis davon geredt wurde, stellete ich doch alle meine Wort auf Schrauben; welches meiner Jungfer Schwester,