Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 177)

zweien Stunden nicht aufgehört, wenn der Krabat mit dem Pfarrer nicht kommen wäre.

Ehe dieser ankam, unterstund ich etlichmal aufzustehen, aber der Obristleutenant machte mich mit bedrohlichen Mienen liegen bleibend, also daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein Kerl hat, der auf einer bösen Tat erdappt wird, und wie einem Dieb ums Herz ist, den man erwischt, wenn er eingebrochen, ob er gleich noch nichts gestohlen hat; ich gedenk der lieben Zeit, wenn mir der Obristleutenant samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen wäre, daß ich sie alle drei zu jagen unterstanden, aber jetzt lag ich da wie ein ander Bärnhäuter und hatte nicht das Herz, nur das Maul, geschweig die Fäust, recht aufzutün. »Seht, Herr Pfarrer«, sagte er, »das schöne Spektakul, zu welchem ich Euch zum Zeugen meiner Schand berufen muß!« und kaum hatte er diese Wort ordentlich vorgebracht, da fieng er wieder an zu wüten, und das Tausend ins Hundert zu werfen, daß ich nichts anders als vom Halsbrechen, und Händ in Blut wäschen verstehen konnte; er schaumte ums Maul wie ein Eber und stellte sich nicht anders, als ob er gar von Sinnen kommen wollte, also daß ich alle Augenblick gedachte: jetzt jagt er dir eine Kugel durch den Kopf! Der Pfarrer aber wehrte mit Händen und Füßen, daß nichts Tödliches geschähe, so ihn hernach reuen möchte. »Was?« sagte er, »Herr Obristleutenant, braucht Euer hohe Vernunft und bedenkt das Sprüchwort, daß man zu geschehenen Dingen das Beste reden soll; dies schöne Paar, das seinesgleichen schwerlich im Land hat, ist nicht das erste und auch nicht das letzte, so sich von den unüberwindlichen Kräften der Liebe meistern lassen; dieser Fehler, den sie beide begangen, kann auch durch sie, da es anders ein Fehler zu nennen, wieder leichtlich gebessert werden; zwar lobe ichs nit, sich auf diese Art zu verehelichen, aber gleichwohl hat dieses junge Paar hierdurch weder Galgen noch Rad verdient, der Herr Obristleutenant auch keine Schand davon zu gewarten, wenn er nur diesen Fehler (der ohnedas noch niemand bewußt) heimlich halten und verzeihen, seine Konsens zu beider Verehelichung geben und diese Ehe durch den gewöhnlichen Kirchgang offentlich bestätigen lassen wird. »Was« antwortet er, »sollte ich ihnen anstatt billicher Straff erst noch hofieren und große Ehr antun? ich wollte sie ehe morgenden Tags beide zusammenbinden und in der Lipp ertränken lassen! Ihr müßt mir sie in diesem Augenblick kopuliern, maßen ich Euch deswegen holen lassen, oder ich will sie alle beide wie die Hühner erwürgen.«

Ich gedachte: »Was wilt du tun, es heißt: ›Vogel friß oder stirb‹; zudem so ist es eine solche Jungfer deren du dich nicht schämen darfst, ja wenn du dein Herkommen bedenkest, so bist du kaum wert hinzusitzen, wo sie ihre Schuh hinstellt«; doch schwur ich und bezeugte hoch und teur, daß wir nichts Unehrlichs miteinander zu schaffen gehabt hätten; aber mir wurde geantwortet, wir sollten uns gehalten haben, daß man nichts Böses von uns argwohnen können, diesen Weg aber würden wir dem einmal gefaßten Verdacht niemand benehmen. Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer im Bett

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