Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 178)
sitzend zusammgegeben, und nachdem solches geschehen, aufzustehen, und miteinander aus dem Haus zu gehen gemüßiget. Unter der Tür sagte der Obristleutenant zu mir und seiner Tochter, wir sollten sich in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sehen lassen. Ich aber, als ich mich wieder erholt und den Degen auch an der Seiten hatte, antwortet gleichsam im Scherz: »Ich weiß nicht, Herr Schwährvatter, warum Er alles so widersinns anstellt: wenn andere neue Eheleut kopuliert werden, so führen sie die nächste Verwandte schlafen, Er aber jagt mich nach der Kopulation nit allein aus dem Bett, sondern auch gar aus dem Haus, und anstatt des Glücks, das er mir in Ehestand wünschen sollte; will Er mich nicht so glückselig wissen, meines Schwähers Angesicht zu sehen und ihm zu dienen; wahrlich, wenn dieser Brauch aufkommen sollte, so würden die Verehelichungen wenig Freundschaft mehr in der Welt stiften.«
Das 22. Kapitel
Wie es bei der Hochzeit ablief, und was er weiter anzufangen sich vorgestellt.
Die Leut in meinem Losament verwunderten sich alle, da ich diese Jungfer mit mir heim brachte, und noch viel mehr, da sie sahen, daß sie so ungescheut mit mir schlafen gieng; dann ob mir zwar dieser Poß, so mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so war ich doch so närrisch nit, meine Braut zu verschmähen; ich hatte zwar die Liebste im Arm, hingegen aber tausenderlei Gedanken im Kopf, wie ich mein Sach heben und legen wollte; bald gedacht ich: Es ist dir recht geschehen, und bald vermeint ich, es wäre mir der allergrößte Schimpf von der Welt widerfahren, welchen ich ohne billiche Rach mit Ehren nicht verschmirzen könnte: Wann ich aber besanne, daß solche Rach wider meinen Schwährvatter, und also auch wider meine unschuldige fromme Liebste laufen müßte, fielen alle meine Anschläg. Ich schämte mich so sehr, daß ich mir vornahm, mich einzuhalten und vor keinem Menschen mehr sehen zu lassen, befande aber, daß ich alsdann erst die allergrößte Narrheit begehen würde. Endlich war mein Schluß, ich wollte vor allen Dingen meines Schwährvattern Freundschaft wieder gewinnen und mich im übrigen gegen jedermann anlassen, als ob mir nichts Übels widerfahren und wegen meiner Hochzeit alles wohl ausgerichtet hätte. Ich sagte zu mir selber: »Weil alles auf ein seltsame ungewöhnliche Weis sich geschickt und seinen Anfang genommen, so mußt du es auch auf solche Gattung ausmachen; sollten die Leut erfahren, daß du Verdruß an deinem Heurat hättest und wider deinen Willen kopuliert worden wärest, wie ein arme Jungfer an einen alten reichen Ehekrippel, so hättest du nur Spott davon.«
In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen, wiewohl ich lieber länger im Bett verblieben wäre; ich schickte am allerersten nach meinem Schwager, der meines Weibs Schwester hatte, und hielt ihm kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt worden, ersuchte ihn daneben, er wollte seine Liebste kommen lassen, um etwas zurichten zu helfen, damit ich den Leuten auch bei meiner Hochzeit zu essen geben könnte, er aber wollte belieben, unsern Schwähr und Schwieger meinetwegen zu begütigen, so wollte ich indessen ausgehen, Gäste zu bitten, die