Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 183)
sie von lauter Glück herrühret, das des Kranken Feind hat; und welcher einen solchen von Grund aus kuriert, der dürfte sich beinahe rühmen, er hätte einen Verlornen zum christlichen Glauben bekehrt, weil diese Krankheit keinen rechtschaffenen Christen anstößt, als die da nur die Sünd und Laster neiden. Die Spielsucht halte ich auch vor eine Krankheit, nicht allein weil es der Nam mit sich bringt, sondern weil diejenige so damit behaftet, ganz giftig darauf verpicht sein. Diese hat ihren Ursprung vom Müßiggang, und nicht vom Geiz, wie etliche vermeinen, und wenn du Wollust und Müßiggang hinwegnimmest, vergehet diese Krankheit von sich selbst. So befand ich, daß Fressen und Saufen auch ein Krankheit ist, und daß solche aus der Gewohnheit und nicht aus dem Überfluß herkommt; Armut ist zwar gut davor, aber sie wird dadurch nicht von Grund aus geheilet, dann ich sahe Bettler im Luder, und reiche Filz Hunger leiden; sie bringt ihre Arznei auf dem Rucken mit sich, der heißt Mantel, wo nit am Gut, doch an der übrigen Gesundheit des Leibs, also daß endlich diese Kranke gemeiniglich von sich selbst gesund werden müssen, wenn sie nämlich entweder aus Armut oder anderer Krankheit halber nit mehr zehren können. Die Hoffart hielte ich vor eine Art der Phantasterei, welche ihren Ursprung aus der Ungewissenheit habe; dann wann sich einer selbst kennet, und weiß wo er her ist, und endlich hinkommt, so ists unmüglich, daß er mehr so ein hoffärtiger Narr sein kann. Wenn ich einen Pfauen oder welschen Hahnen sehe, der sich ausspreitet und so etwas daher kollert, muß ich mich vernarren, daß diese unvernünftige Tier dem armen Menschen in seiner großen Krankheit so artlich spotten können; ich hab kein sonderliche Arznei dawider finden können, weil diese, so daran krank liegen, ohne die Demut ebensowenig als andere Narren zu kurieren sein. Ich fande auch, daß Lachen eine Krankheit ist, dann Philemon ist ja dran gestorben, und Democritus ist bis an sein End damit infiziert gewest. So sagen auch noch auf den heutigen Tag unsere Weiber, sie möchten sich zu Tod lachen! Man sagt, es habe seinen Ursprung von der Leber, aber ich glaube ehender, es komme aus übriger Torheit her, sintemal viel Lachen kein Anzeigen eines vernünftigen Manns ist. Es ist unvonnöten, eine Arznei dawider zu verordnen, weil es nicht allein eine lustige Krankheit ist, sondern auch manchem vergehet, ehe ers gern hat. Nicht weniger merkte ich, daß der Fürwitz auch eine Krankheit und sonderlich dem weiblichen Geschlecht schier angeboren seie; ist zwar gering anzusehen, aber in Wahrheit sehr gefährlich, maßen wir noch alle an unserer ersten Mutter Kuriosität zu däuen haben. Von den übrigen, als Faulheit, Rachgier, Eifer, Frevel, Gebrechen der Lieb und anderen dergleichen Krankheiten und Lastern, will ich vor diesmal schweigen, weil ich mir niemals vorgenommen, etwas davon zu schreiben, sondern wieder auf meinen Kostherrn kommen, der mir Ursach gab, dergleichen Gebrechen nachzusinnen, weil er vom Geiz bis aufs äußerste Haar eingenommen und besessen war.
Das 24. Kapitel
Der Jäger fängt einen Hasen mitten in einer Stadt.
Dieser hatte,