Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 188)
raten, wie ich einen so weiten und damals sehr unsichern Weg wieder zurückkommen sollte. Die von Adel bezeugten ein groß Mitleiden verehrten mich desto ehrlicher mit einem guten Trinkgelt, wollten mich auch nicht ehender von sich lassen, bis ich entweder einen guten Herrn, oder eine gute Gelegenheit hätte, wieder in Teutschland zu kommen: Sie dingten ihnen ein Losament, und ich hielte mich etlich Tag bei ihnen auf, damit ich dem einen, so wegen der fernen Reis, deren er nicht gewohnt, etwas unpäßlich, auswartete. Und demnach ich mich so fein anließe, schenkt er mir sein Kleid, so er ablegte, dann er sich auf die neue Mode kleiden ließe. Ihr Rat war, ich sollte nur immer ein paar Jahr in Paris bleiben und die Sprach lernen; das ich zu Köln zu holen hätte, würde mir nicht entlaufen. Da ich nun so in der Wahl stunde und noch zweifelte, was ich tun wollte, hörte mich einsmals der Medikus, so meinen kranken Junkern zu kurieren alle Tag zu uns kame, auf der Lauten schlagen und ein teutsch Liedlein dareinsingen, das ihm so wohl gefiele, daß er mir ein gute Bestallung anbotte samt seinem Tisch, da ich mich zu ihm begeben und seine zween Söhn unterrichten wollte, dann er wußte schon besser wie mein Handel stunde, als ich selbst, und daß ich einen guten Herrn nit ausschlagen würde: Also wurden wir des Handels miteinander bald eins, weil beide Edelleute das Beste dazu redeten und mich trefflich rekommendierten; ich verdingte mich aber nit länger als von einem Vierteljahr zum andern.
Dieser Doktor redte so gut Teutsch als ich, und das Italienisch wie seine Muttersprach; derhalben versprach ich mich desto lieber zu ihm. Als ich nun die Letze zehrte mit meinen Edelleuten, war er auch dabei, und mir giengen üble Grillen im Kopf herum, dann da lag mir mein frisch-genommen Weib, mein versprochen Fähnlein und mein Schatz zu Köln im Sinn, von welchem allem ich mich so leichtfertig hinwegzubegeben bereden lassen; und da wir von unsers gewesten Kostherrn Geiz zu reden kamen, fiele mir zu und ich sagte auch über Tisch: »Wer weiß, ob vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hieherpraktiziert, damit er das Meinig zu Köln erheben und behalten möge.« Der Doktor antwort, das könne wohl sein, vornehmlich wann er glaube, daß ich ein Kerl von geringem Herkommen sei; »Nein«, antwort der eine Edelmann, »wenn er zu solchem End hiehergeschickt worden ist, daß er hier bleiben solle, so ists darum geschehen, weil er ihm seines Geizes wegen so viel Drangsal antäte.« Der Kranke fieng an: »Ich glaub aber in andere Ursach; als ich neulich in meiner Kammer stunde und unser Kostherr mit seinem Welschen ein laut Gespräch hielte, horchte ich, warums doch zu tun sein möchte? und vernahm endlich aus des Welschen geradbrechten Worten: Der Jäger verfuchsschwänzte ihn bei der Frauen und sage, er warte der Pferd nicht recht! Welches aber der eifersichtige Gauch, wegen seiner üblen Redkunst, unrecht, und auf etwas Unehrlichs verstunde, und derowegen dem Welschen zusprach, er sollte nur bleiben, der Jäger müsse