Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 190)
jedoch das ander einlieffe. Also wurde ich wieder fröhlich und instruierte meines Herrn zween Söhn desto leichter, die als junge Prinzen erzogen wurden; dann weil Mons. Canard sehr reich, als war er auch überaus hoffärtig und wollte sich sehen lassen; welche Krankheit er von großen Herren an sich genommen, weil er gleichsam täglich mit Fürsten umgieng, und ihnen alles nachäffte; sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in welcher kein anderer Mangel erschiene, als daß man ihn nit auch einen gnädigen Herrn nennete, und seine Imagination war so groß, daß er auch einem Marquis, da ihn etwan einer zu besuchen kam, nicht höher, als seinesgleichen traktierte; er teilte zwar geringen Leuten auch von seinen Mitteln mit, er nahm aber kein gering Geld, sondern schenkte ihnen eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen Namen haben möchte. Weil ich ziemlich kurios war, und wußte, daß er mit meiner Person prangte, wenn ich neben andern Dienern hinder ihm her tratte und er Kranke besuchte, als half ich ihm auch stets in seinem Laboratorio arzneien; davon wurde ich ziemlich gemein mit ihm, wie er dann ohnedas die teutsche Sprach gern redete; sagte derowegen einsmals zu ihm: Warum er sich nit von seinem adelichen Sitz schreibe, den er neulich nahend Paris um 20 000 Kronen gekauft hätte? item, warum er lauter Doctores aus seinen Söhnen zu machen gedenke und sie so streng studieren lasse, ob nicht besser wäre, daß er ihnen (indem er doch den Adel schon hätte) wie andere Cavallier, irgends Ämter kaufe, und sie also vollkommen in den adelichen Stand tretten lasse? »Nein«, antwortet er, »wenn ich zu einem Fürsten komme, so heißts ›Herr Doktor, Er setze sich nieder‹; zum Edelmann aber wird gesagt: ›Wart auf!‹« Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß ein Arzt dreierlei Angesichter hat, das erste eines Engels, wann ihn der Kranke ansichtig wird, das ander eines Gottes, wenn er hilft, das dritte eines Teufels, wenn man gesund ist und ihn wieder abschafft: Also währt solche Ehr nicht länger, als solang dem Kranken der Wind im Leib herumgehet; wenn er aber hinaus ist und das Rumpeln aufhöret, so hat die Ehr ein End, und heißts alsdann auch: ›Doktor, vor der Tür ists dein!‹ Hat demnach der Edelmann mehr Ehr von seinem Stehen, als ein Doktor von seinem Sitzen, weil er nämlich seinem Prinzen beständig aufwartet und die Ehr hat, niemals von seiner Seiten zu kommen; der Herr Doktor hat neulich etwas von einem Fürsten in Mund genommen und demselben seinen Geschmack abgewinnen müssen; ich wollte lieber zehen Jahr stehen und aufwarten, ehe ich eines andern Kot versuchen wollte, und wann man mich gleich auf lauter Rosen setzen wollte.« Er antwortet: »Das mußte ich nicht tun, sondern täts gern, damit, wenn der Fürst sähe, wie sauer michs ankäme, seinen Zustand recht zu erkündigen, meine Verehrung desto größer würde; und warum wollte ich dessen Kot nit versuchen, der mir etlich hundert Pistoln davor zu Lohn gibt, ich aber hingegen ihm nichts gebe, wenn er noch gar was anders von