Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 191)
mir muß fressen? Ihr redet von der Sach wie ein Teutscher, wenn Ihr aber einer andern Nation wäret, so wollte ich sagen, Ihr hättet davon geredt wie ein Narr!« Mit diesem Sentenz nahm ich vorlieb, weil ich sahe, daß er sich erzürnen wollte, und damit ich ihn wieder auf einen guten Laun brächte, bate ich, er wollte meiner Einfalt etwas zugut halten, und brachte etwas Annehmlichers auf die Bahn.
Das 3. Kapitel
Wie er sich vor einen Komödianten gebrauchen läßt und einen neuen Namen bekommt.
Gleichwie Monsigneur Canard mehr Wildpret hinwegzuwerfen, als mancher zu fressen hatt, der ein eigene Wildbahn vermag, und ihm mehr Zahmes verehrt wurde, als er und die Seinige verzehren konnten, also hatte er täglich viel Schmarotzer, so daß es ihm gleich sahe, als ob er ein freie Tafel gehalten hätte: Einsmals besuchten ihn des Königs Zeremonienmeister und andere vornehme Personen vom Hof, denen er eine fürstliche Kollation darstellete, weil er wohl wußte, wen er zum Freund behalten sollte, nämlich diejenige, so stets um den König waren oder sonst bei demselben wohl stunden; damit er nun denselben den allergeneigtesten Willen erzeige und ihnen allen Lust machen möchte, begehrte er, ich wollte ihm zu Ehren und der ansehenlichen Gesellschaft zu Gefallen ein teutsch Liedlein in meine Laute hören lassen; ich folgte gern, weil ich eben im Laun war, wie dann die Musici gemeiniglich seltsame Grillenfänger sind, beflisse mich derhalben das beste Geschirr zu machen, und kontentierte demnach die Anwesende so wohl, daß der Zeremonienmeister sagte: Es wäre immer schad, daß ich nit die französische Sprach könnte, er wollte mich sonst trefflich wohl beim König und der Königin anbringen; mein Herr aber, so besorgte, ich möchte ihm aus seinen Diensten entzuckt werden, antwortet ihm, daß ich einer von Adel seie und nit lang in Frankreich zu verbleiben gedächte, würde mich demnach schwerlich vor einen Musikanten gebrauchen lassen: Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er sein Tag nit ein so seltene Schönheit, ein so klare Stimm und ein so künstlichen Lautenisten an einer Person gefunden, es sollte ehist vorm König im Louvre eine Comoedia gespielt werden, wann er mich dazu gebrauchen könnte, so verhoffte er große Ehr mit mir einzulegen; das hielt mir Mons. Canard vor; ich antwortet ihm, wann man mir sagt, was vor eine Person ich präsentieren und was vor Lieder ich in meine Lauten singen sollte, so könnte ich ja beides, die Melodeien und Lieder auswendig lernen und solche in meine Laute singen, wenn sie schon in französischer Sprach wären; es möchte ja leicht mein Verstand so gut sein als eines Schülerknaben, die man hierzu auch zu gebrauchen pflege, unangesehen sie erst beides, Wort und Gebärden lernen müßten. Als mich der Zeremonienmeister so willig sahe, mußte ich ihm versprechen, den andern Tag ins Louvre zu kommen, um zu probiern, ob ich mich dazu schickte. Also stellte ich mich auf die bestimmte Zeit ein; die Melodeien der unterschiedlichen Lieder, so ich zu singen hatte, schlug ich gleich perfekt auf dem Instrument, weil ich das Tabulaturbuch vor mir hatte, empfieng demnach