Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 194)

mir etwas zu essen fertig machen lassen, dann ich hätte ein ziemlich weiten Weg zu gehen, daß ich kaum vor Abend an den bestimmten Ort kommen würde: Also butzte ich mich ziemlich und verschluckte in Eil etwas von der Kollation, sonderlich aber ein paar kleiner delikaten Würstlein, welche, als mich deuchte, ziemlich stark apotheckerten; gieng demnach mit gedachtem Lakaien durch seltsame Umweg einer Stund lang, bis wir gegen Abend vor eine Gartentür kamen, die nur zugelehnt war; dieselbe stieß der Lakai vollend auf, und demnach ich hinder ihm hineingetretten, schlug er selbige wieder zu, führte mich nachgehends in das Lusthaus, so in einem Eck des Gartens stunde, und demnach wir einen ziemlich langen Gang passierten, klopfte er vor einer Tür, so von einer alten adelichen Damen stracks aufgemacht wurde; diese hieße mich in teutscher Sprach sehr höflich Willkomm sein und zu ihr vollends hineintretten, der Lakai aber, so kein Teutsch konnte, nahm mit tiefer Reverenz seinen Abschied. Die Alte nahm mich bei der Hand und führte mich vollend ins Zimmer, das rundumher mit den köstlichsten Tapeten behenkt, zumal sonsten auch schön geziert war; sie hieße mich niedersitzen, damit ich verschnauben und zugleich vernehmen könnte, aus was Ursachen ich an diesen Ort geholet; ich folgte gern und setzte mich auf einen Sessel, den sie mir zu einem Feuer stellte, so in demselben Saal wegen ziemlicher Kält brannte; sie aber setzte sich neben mich auf einen andern und sagte: »Monsieur, wenn Er etwas von den Kräften der Liebe weiß, daß nämlich solche die allerdapferste, stärkste und klügste Männer überwältige und zu beherrschen pflege, so wird Er sich um so viel desto weniger verwundern, wann dieselbe auch ein schwaches Weibsbild meistert; er ist nit seiner Lauten halber, wie man Ihn und Monsigneur Canard überredt gehabt, von einem Herrn, aber wohl seiner übertrefflichen Schönheit halber von der allervortrefflichsten Damen in Paris hieher berufen worden, die sich allbereit des Tods versiehet, da sie nit bald des Herrn überirdische Gestalt zu beschauen, und sich damit zu erquicken das Glück haben sollte: Derowegen hat sie mir befohlen, dem Herrn, als meinem Landsmann, solches anzuzeigen, und ihn höher zu bitten, als Venus ihren Adonidem, daß er diesen Abend sich bei ihr einfinden und seine Schönheit genugsam von ihr betrachten lasse, welches er ihr verhoffentlich als einer vornehmen Damen nit abschlagen wird.« Ich antwortet: »Madame, ich weiß nicht was ich gedenken, viel weniger hierauf sagen solle! Ich erkenne mich nicht danach beschaffen zu sein, daß eine Dame von so hoher Qualität nach meiner Wenigkeit verlangen sollte; überdas kommt mir in Sinn, wann die Dam, so mich zu sehen begehrt, so vortrefflich und vornehm sei, als mir mein hochgeehrte Frau Landsmännin vorbracht, daß sie wohl bei früherer Tagszeit nach mir schicken dürfen, und mich nicht erst hieher an diesen einsamen Ort, bei so spätem Abend, hätte berufen lassen; warum hat sie nicht befohlen, ich solle strackswegs zu ihr kommen? Was hab ich in diesem Garten zu tun? Mein hochgeehrte Frau Landsmännin vergebe mir, wenn ich als ein verlassener Fremder in

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