Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 196)

mich durch seltsame Weg an der Hand: Ich spürte wohl, daß ich durch viel Türen und auch über einen gepflasterten Weg passierte; endlich mußte ich etwan nach einer halben Viertelstund eine kleine steinerne Stegen steigen; da tät sich ein klein Türlein auf, von dannen kam ich über einen besetzten Gang und mußte eine Windelstegen hinauf, folgends etliche Staffeln wieder hinab, allda sich etwa sechs Schritt weiters eine Tür öffnet; als ich endlich durch solche kam, zog mir die Alte die Kappe wieder herunder, da befand ich mich in einem Saal, der da überaus zierlich aufgebutzet war; die Wände waren mit schönen Gemälden, das Trysur mit Silbergeschirr, und das Bett so darinnen stunde, mit Umhängen von güldenen Stücken geziert; in der Mitten stunde der Tisch prächtig gedeckt, und bei dem Feur befande sich eine Badwanne, die wohl hübsch war, aber meinem Bedunken nach schändet sie den ganzen Saal; die Alte sagte zu mir: »Nun willkomm Herr Landsmann, kann Er noch sagen, daß man Ihn mit Verräterei hindergehe? Er lege nur allen Unmut ab und erzeige sich wie neulich auf dem Theatro, da Er Seine Euridicen wieder vom Plutone erhielte; ich versichere Ihn, Er wird hier eine schönere antreffen, als er dort eine verloren.«

Das 5. Kapitel

Wie es ihm darinnen ergieng, und wie er wieder herauskam.

Ich hörte schon an diesen Worten, daß ich mich nicht nur an diesem Ort beschauen lassen, sondern noch gar was anders tun sollte; sagte derowegen zu meiner alten Landsmännin: Es wäre einem Durstigen wenig damit geholfen, wenn er bei einem verbottenen Brunnen säße; sie aber sagte, man sei in Frankreich nit so mißgönstig, daß man einem das Wasser verbiete, sonderlich wo dessen ein Überfluß seie. »Ja«, sagte ich, »Madame, Sie sagt mir wohl davon, wenn ich nicht schon verheuratet wäre!« »Das sind Possen (antwortet das gottlose Weib) man wird Euch solches heunt nacht nit glauben, dann die verehelichte Cavallier ziehen selten in Frankreich; und ob gleich dem so wäre, kann ich doch nit glauben, daß der Herr so alber sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden Brunnen zu trinken, sonderlich wann er vielleicht lustiger ist, und besser Wasser hat, als sein eigener.« Dies war unser Diskurs, dieweil mir ein adeliche Jungfer, so dem Feuer pflegte, Schuh und Strümpf auszoge, die ich überall im Finstern besudelt hatte, wie dann Paris ohnedas eine sehr kotige Stadt ist. Gleich hierauf kam Befehl, daß man mich noch vor dem Essen baden sollte, dann bemeldtes Jungfräulein gieng ab und zu, und brachte das Badgezeug, so alles nach Bisam und wohlrüchender Seifen roche. Das Leinengerät war vom reinesten Cammertuch und mit teuren holländischen Spitzen besetzt; ich wollte mich schämen und vor der Alten nicht nackend sehen lassen, aber es half nichts, ich mußte dran und mich von ihr ausreiben lassen; das Jungfergen aber mußte ein Weil abtretten; nach dem Bad wurde mir ein zartes Hemd gegeben und ein köstlicher Schlafbelz von veielblauem Daffet angelegt, samt einem Paar seidener Strümpfe von gleicher Farb; so war die Schlafhaub samt den Pantoffeln mit

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