Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 195)

die Forcht gerate, man wolle mich sonst hindergehen, sintemal man mir gesagt, ich sollte zu einem Herrn kommen, so sich schon im Werk anders befindet; sollte ich aber merken, daß man mir so verräterisch mit bösen Tücken an Leib wollte kommen, würde ich vor meinem Tod meinen Degen noch zu gebrauchen wissen!« »Sachte, sachte, mein hochgeehrter Herr Landsmann, Er lasse diese unnötige Gedanken aus dem Sinn (antwortet sie mir) die Weibsbilder sind seltsam und vorsichtig in ihren Anschlägen, daß man sich nit gleich anfangs so leicht darein schicken kann; wenn diejenige, die ihn über alles liebet, gern hätte, daß Er Wissenschaft von ihrer Person haben sollte, so hätte sie Ihn freilich nit erst hieher, sondern den geraden Weg zu sich kommen lassen; dort liegt eine Kappe (wiese damit auf den Tisch) die muß der Herr ohnedas aufsetzen, wann Er von hier aus zu ihr geführt wird, weil sie auch so gar nit will, daß Er den Ort, geschweig bei wem Er gesteckt, wissen solle; bitte und ermahne demnach den Herrn so hoch als ich immer kann, Er erzeige sich gegen dieser Dame sowohl wie es ihre Hoheit, als ihre gegen Ihm tragende unaussprechliche Liebe meritiert, da Er anders gewärtig sein will zu erfahren, daß sie mächtig genug seie, Seinen Hochmut und Verachtung, auch in diesem Augenblick, zu strafen: Wird Er sich aber der Gebühr nach gegen Ihr einstellen, so sei Er versichert, daß Ihm auch der geringste Tritt, den Er ihrentwegen getan, nicht ohnbelohnt verbleiben wird.«

Es wurde allgemach finster, und ich hatte allerhand Sorgen und forchtsame Gedanken, also daß ich da saße wie ein geschnitzt Bild, konnte mir auch wohl einbilden, daß ich von diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen könnte, ich willigte dann in alles, so man mir zumutete, sagte derhalben zu der Alten: »Nun dann, mein hochgeehrte Frau Landsmännin, wann ihm dann so ist, wie Sie mir vorgebracht, so vertraue ich meine Person Ihrer angebotnen teutschen Redlichkeit, der Hoffnung, Sie werde nicht zulassen, viel weniger selbst vermittlen, daß einem unschuldigen Teutschen eine Untreu widerfahre, Sie vollbringe, was Ihr meinetwegen befohlen ist; die Dame, von deren Sie mir gesagt, wird verhoffentlich keine Basiliskenaugen haben, mir den Hals abzusehen.« »Ei behüt Gott«, sagte sie, »es wäre schad, wann ein solcher Leib, mit welchem unsere ganze Nation prangen kann, jetzt schon sterben sollte, Er wird mehr Ergetzung finden als er sich sein Tag niemals einbilden dürfen«, und sie meine Einwilligung hatte, rufte sie Jean und Pierre; diese tratten alsobald, jeder in vollem planken Küriß, von der Scheidel bis auf die Fußsohlen gewaffnet, mit einer Helleparten und Pistol in der Hand, hinder einer Tapezerei herfür, davon ich dergestalt erschrak, daß ich mich ganz entfärbte; die Alte nahm solches wahr und sagte lächlend: »Man muß sich so nit förchten, wenn man zum Frauenzimmer gehet«, befohl darauf ihnen beiden, sie sollten ihren Harnisch ablegen, die Latern nehmen, und nur mit ihren Pistolen mitgehen; demnach streifte sie mir die Kappe, die von schwarzem Sammet war, übern Kopf, trug meinen Hut unterm Arm, und führet

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