Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 231)

so stahl ich hinweg was ich kriegen konnte; ich stahl oft auf einen Tag zwei oder drei Pferd, beides von der Waid und aus den Quartiern, verkaufte und verspielte hinwieder, was ich löste, und minierte alsdenn bei Nacht den Leuten in die Zelt, und zwackte ihnen ihr Bestes unter den Köpfen herfür. War es aber auf dem Marsch, so hatte ich an den engen Pässen ein wachtsames Aug auf die Felleisen, so die Weiber hinder sich führten; die schnitte ich ab, und brachte mich also durch, bis das Treffen vor Wittenweier vorübergieng, in welchem ich gefangen, abermal unter ein Regiment zu Fuß gestoßen, und also zu einem weimarischen Soldaten gemacht wurde; es wollte mir aber im Läger vor Breisach nicht gefallen, darum quittierte ichs auch beizeiten, und gieng davon vor mich selbst zu kriegen, wie du dann siehest, daß ich tue. Und sei versichert Bruder, daß ich seithero manchen stolzen Kerl niedergelegt und ein herrlich Stück Geld prosperieret habe, gedenke auch nicht aufzuhören, bis daß ich sehe, daß ich nichts mehr bekommen kann. Jetzund nun wirds an dir sein, daß du mir auch deinen Lebenslauf erzählest.«

Das 22. Kapitel

Wie es einem gehet, und was es sei, wenn es ihm hund- und katzenübel geht.

Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführete, konnte ich mich nicht genugsam über die göttliche Vorsehung verwundern! Ich konnte greifen, wie mich der liebe Gott hiebevor in Westfalen vor diesem Unmenschen nit allein vätterlich bewahret, sondern noch dazu versehen hatte, daß er sich vor mir entsetzt: Damals sahe ich erst, was ich dem Olivier vor ein Possen erwiesen, davon ihm der alte Herzbruder prophezeiet, welches er, Olivier, aber selbst, wie hiervon im 16. Kapitel zu sehen, zu meinem großen Vortel anders ausgelegt; dann sollte diese Bestia gewußt haben, daß ich der Jäger von Soest gewesen wäre, so hätte er mir gewißlich wieder eingetränkt, was ich ihm hiebevor auf der Schäferei getan; ich betrachtete auch, wie weislich und obskur Herzbruder seine Weissagungen geben, und gedachte bei mir selber, ob zwar seine Wahrsagungen gemeinlich unfehlbar einzutreffen pflegten, daß es dennoch schwer fallen würde, und seltsam hergehen müßte, da ich eines solchen Tod, der Galgen und Rad verdient hätte, rächen sollte; ich befand auch, daß mirs trefflich gesund gewesen, daß ich ihm meinen Lebenslauf nicht zuerst erzählt, denn mit der Weis hätte ich ihm ja selber gesagt, womit ich ihn hiebevor beleidigt. Indem ich nun solche Gedanken machte, wurde ich in Oliviers Angesicht etlicher Ritz gewahr, die er vor Magdeburg noch nit gehabt, bildete mir derhalben ein, dieselbe Narben seien noch die Wahrzeichen des Springinsfeld, als er ihm hiebevor in Gestalt eines Teufels das Angesicht so zerkratzte; fragte ihn derhalben, woher ihm solche Zeichen kämen? mit dem Anhang, ob er mir gleichwohl seinen ganzen Lebenslauf erzähle, daß ich jedoch ohnschwer abnemmen müsse, er verschweige mir das beste Teil, weil er mir noch nicht gesagt, wer ihn so gezeichnet hätte. »Ach Bruder«, antwortet er, »wenn ich dir alle meine Bubenstück und Schelmerei erzählen sollte, so würde beides, mir und dir die Zeit

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