Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 234)

dich anläßt.« Ich antwortet: »Bruder, was willst du die unschuldige Kinder zeihen, wanns Kerl wären die sich wehren könnten, so wärs ein anders.« »Was«, antwortet er, »Eier in die Pfannen, so werden keine Junge draus; ich kenne diese junge Blutsauger wohl, ihr Vatter der Major ist ein rechter Schindhund, und der ärgste Wamsklopfer von der Welt.« Und mit solchen Worten wollte er immer fortwürgen, doch enthielte ich ihn so lang, bis er sich endlich erweichen ließe; es waren aber eines Majors Weib, ihre Mägd, und drei schöne Kinder, die mich von Herzen daureten; diese sperreten wir in einen Keller, auf daß sie uns so bald nicht verraten sollten, in welchem sie sonst nichts als Obst und weiße Ruben zu beißen hatten, bis sie gleichwohl wiederum von jemanden erlöst würden; demnach plünderten wir die Kutschen, und ritten mit sieben schönen Pferden in Wald wo er zum dicksten war.

Als wir solche angebunden hatten und ich mich ein wenig umschauete, sahe ich ohnweit von uns einen Kerl stockstill an einem Baum stehen, solchen wiese ich dem Olivier, und vermeinte es wäre sich vorzusehen. »Ha Narr!« antwortet er, »es ist ein Jud, den hab ich hingebunden, der Schelm ist aber vorlängst erfroren und verreckt«, und indem gieng er zu ihm, klopfte ihm mit der Hand unten ans Kinn, und sagte: »Ha! du Hund hast mir auch viel schöne Dukaten gebracht«, und als er ihm dergestalt das Kinn bewegte, rollten ihm noch etliche Duplonen zum Maul heraus, welche der arm Schelm noch bis in seinen Tod davonbracht hatte, Olivier griff ihm darauf in das Maul und brachte zwölf Duplonen und einen köstlichen Rubin zusammen. »Diese Beut« (sagte er) »hab ich dir, Simplici, zu danken«, schenkte mir darauf den Rubin, stieß das Geld zu sich, und gieng hin seinen Bauren zu holen, mit Befelch, ich sollte indessen bei den Pferden verbleiben, sollte aber wohl zusehen, daß mich der tote Jud nicht beiße, womit er mir verwiese, daß ich kein solche Courage hätte wie er.

Als er nun nach dem Bauren aus war, machte ich indessen sorgsame Gedanken, und betrachtete, in was vor einem gefährlichen Stand ich lebte; ich nahm mir vor, auf ein Pferd zu sitzen und durchzugehen, besorgte aber, Olivier möchte mich über der Arbeit erdappen und erst niederschießen, denn ich argwohnte, daß er meine Beständigkeit vor diesmal nur probiere, und irgends stehe mir aufzupassen; bald gedacht ich zu Fuß davonzulaufen, mußte aber doch sorgen, wann ich dem Olivier gleich entkäme, daß ich nichtsdestoweniger den Bauren auf dem Schwarzwald, die damals im Ruf waren, daß sie den Soldaten auf die Hauben klopften, nicht entrinnen würde können; nimmst du aber, gedacht ich, alle Pferd mit dir, auf daß Olivier kein Mittel hat, dir nachzujagen, und würdest von den Weimarischen erwischt, so wirst du als ein überzeugter Mörder aufs Rad gelegt. In Summa, ich wußte kein sicher Mittel zu meiner Flucht zu ersinnen, vornehmlich da ich mich in einem wilden Wald befand und weder Weg noch Steg wußte; über­das wachte mir mein Gewissen auch auf und quälte mich,

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