Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 237)

auf dem Platz blieb, beschaute ich den Olivier, ob er vielleicht noch einen lebendigen Atem in sich hätte; da ich ihn aber ganz entseelet befande, dünkte mich ungereimt zu sein, einem toten Körper so viel Golds zu lassen, dessen er nit vonnöten, zog ihm derwegen das gülden Fell ab, so ich erst gestern gemacht hatte, und henkte es auch an Hals zu dem andern. Und demnach ich mein Rohr zerschlagen hatte, nahme ich Oliviers Muskete und Schwerd zu mir; mit demselben versahe ich mich auf allen Notfall, und machte mich aus dem Staub, und zwar auf den Weg, da ich wußte, daß unser Baur darauf herkommen müßte; ich setzte mich beiseit an ein Ort, seiner zu erwarten, und mich zu gleich zu bedenken, was ich ferner anfangen wollte.

Das 25. Kapitel

Simplicius kommt reich davon, hingegen zeucht Herzbruder sehr elend auf.

Ich saß kaum ein halbe Stund in meinen Gedanken, so kam unser Baur daher und schnaubte wie ein Bär; er lief von allen Kräften und wurde meiner nit gewahr, bis ich ihm auf den Leib kam. »Warum so schnell« (sagte ich) »was Neues?« Er antwort: »Geschwind macht Euch abweg! es kommt ein Korporal mit sechs Musketiern, die sollen Euch und den Olivier aufheben, und entweder tot oder lebendig nach Liechteneck liefern; sie haben mich gefangen gehabt, daß ich sie zu Euch führen sollte, bin ihnen aber glücklich entronnen, und hieherkommen, Euch zu warnen.« Ich gedachte: O Schelm, du hast uns verraten, damit dir Oliviers Geld, so im Baum liegt, zuteil werden möge; ließe mich aber doch nichts merken, weil ich mich seiner als eines Wegweisers gebrauchen wollte, sondern sagte ihm, daß beides, Olivier und diejenige so ihn hätten fangen sollen, tot wären; da es aber der Bauer nit glauben wollte, war ich noch so gut, und gieng mit ihm hin, daß er das Elend an den sieben Körpern sehen konnte. Den siebenden, die uns fangen sollen«, sagte ich, »habe ich laufen lassen, und wollte Gott, ich könnte auch diese wieder lebendig machen, so wollte ichs nit unterlassen!« Der Bauer erstaunte vor Schrecken, und sagte: »Was Rats?« Ich antwortet: »Der Rat ist schon beschlossen; unter dreien Dingen gib ich dir die Wahl, entweder führe mich alsbald durch sichere Abweg über den Wald hinaus nach Villingen, oder zeige mir Oliviers Geld, das im Baum liegt, oder stirb hier, und leiste gegenwärtigen Toten Gesellschaft! Führest du mich nach Villingen, so bleibt dir Oliviers Geld allein, wirst du mirs aber weisen, so will ichs mit dir teilen, tust du aber deren keines, so schieß ich dich tot und gehe gleichwohl meines Wegs.« Der Baur wäre gern entloffen, aber er forchte die Muskete, fiele derhalben auf die Kniee nieder, und erbote sich, mich über Wald zu führen: Also wanderten wir eilend fort, giengen denselben Tag und folgende die ganze Nacht, weil es zu allem Glück trefflich hell war, ohne Essen, Trinken und einige Ruhe immer hin, bis wir gegen Tag die Stadt Villingen vor uns liegen sahen, allwo ich meinen Bauren wieder von mir ließe.

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