Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 240)

eben diejenige Duplonen, so Olivier einem toten Juden aus dem Maul bekommen, bei mir in einem Säckel; dieselbe schlug ich auf den Tisch und sagte, dem Wirt zu Gehör, zu Herzbrudern: »Schau Bruder, das ist mein Geld, das will ich an dich wenden und mit dir verzehren«; davon der Wirt uns brav aufwartete; dem Barbier aber wiese ich den Rubin, der auch des bedeuten Juden gewesen, und ungefähr 20 Taler wert war, und sagte: Weil ich mein wenig Geld, so ich hätte, vor uns zur Zehrung, und meinem Kameraden zur Kleidung aufwenden müßte, so wollt ich ihm denselben Ring geben, wenn er besagten meinen Kameraden in Bälde von Grund aus davor kurieren wollte; dessen er denn wohl zufrieden, und seinen besten Fleiß zur Kur anwendete.

Also pflegte ich Herzbrudern, wie meinem andern Ich, und ließ ihm ein schlecht Kleidlein von grauem Tuch machen; zuvor aber gieng ich zum Kommandanten wegen des Passes, und zeigte ihm an, daß ich einen übelbeschädigten Kameraden angetroffen hätte, auf den wollte ich warten, bis er vollend heilete, denn ihn hinder mir zu lassen, getraute ich bei meinem Regiment nicht zu verantworten; der Kommandant lobte meinen Fürsatz, und gönnete mir zu bleiben, solang ich wollte, mit fernerm Anerbieten, wenn mir mein Kamerad würde folgen können, daß er uns beide alsdenn mit genugsamem Paß versehen woIlte.

Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam und allein neben seinem Bett bei ihm saße, tat ich ihm, er wollte mir unbeschwert erzählen, wie er in einen so armseligen Stand geraten wäre? denn ich bildete mir ein, er möchte vielleicht wichtiger Ursachen, oder sonst eines Übersehens halber, von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemacht, und in gegenwärtig Elend gesetzt worden sein; er aber sagte: »Bruder du weißt, daß ich des Grafen von Götz Faktotum und allerliebster geheimster Freund gewesen; hingegen ist dir auch genugsam bekannt, was die verwichene Kampagne unter seinem Generalat und Kommando vor ein unglückselige Endschaft erreicht, indem wir nicht allein die Schlacht bei Wittenweir verloren, sondern noch dazu das belägerte Breisach zu entsetzen nit vermöcht haben: Weil denn nun deswegen hin und wieder vor aller Welt sehr ungleich geredt wird, zumalen wohl ermeldter Graf, sich zu verantworten, nach Wien zitiert worden, so lebe ich beides, vor Scham und Forcht freiwillig in dieser Niedere und wünsche mir oft, entweder in diesem Elend zu sterben, oder doch wenigst mich so lang verborgen zu halten, bis mehrwohlbesagter Graf seine Unschuld an Tag gebracht, dann soviel ich weiß, ist er dem Römischen Kaiser allezeit getreu gewesen; daß er aber diesen verwichenen Sommer so gar kein Glück gehabt, ist meines Erachtens mehr der göttlichen Vorsehung (als welcher die Siege gibt wem er will) als des Grafen Übersehen beizumessen.

Da wir Breisach zu entsetzen im Werk waren und ich sahe, daß es unserseits so schläferig hergieng, armierte ich mich selbst, und gieng dergestalt auf die Schiffbrücke mit an, als ob ichs allein hätte vollenden wollen, da es doch damals weder mein Profession noch Schuldigkeit war; ich täts aber den andern zum Exempel, und weil wir den vergangenen

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