Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 241)
Sommer so gar nichts ausgericht hatten; das Glück, oder vielmehr das Unglück wollte mir, daß ich unter den ersten Angängern dem Feind auch am ersten auf der Brücken das Weiß in Augen sahe, da es denn scharf hergieng, und gleichwie ich im Angriff der erste gewesen, also wurde ich, da wir der Franzosen ungestümbem Ansetzen nicht mehr widerstunden, der allerletzte, und kam dem Feind am ersten in die Hände: ich empfieng zugleich einen Schuß in meinen rechten Arm und den andern in Schenkel, also daß ich weder ausreißen, noch meinen Degen mehr gebrauchen konnte; und als die Enge des Orts und der große Ernst nit zuließe, viel vom Quartiergeben und -nehmen zu parlementieren, kriegte ich einen Hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel, und weil ich fein gekleidet war, von etlichen in der Furi ausgezogen, und vor tot in Rhein geworfen wurde. In solchen Nöten schriee ich zu Gott, und stellete alles seinem heiligen Willen heim, und indem ich unterschiedliche Gelübde tät, spürte ich auch seine Hülf; der Rhein warf mich ans Land, allwo ich meine Wunden mit Moos verstopfte, und ob ich zwar beinahe erfrore, so verspürte ich jedoch eine absonderliche Kraft davonzukriechen, maßen mir Gott half, daß ich (zwar jämmerlich verwundet) zu etlich Merodebrüdern und Soldatenweibern kam, die sämtlich ein Mitleiden mit mir hatten, ob sie mich zwar nit kannten. Diese verzweifelten bereits an einem glücklichen Entsatz der Festung, das mir weher tät als meine Wunden; sie erquickten und bekleideten mich bei ihrem Feur, und ehe ich ein wenig meine Wunden verbande, mußte ich sehen, daß sich die Unserige zu einem spöttlichen Abzug rüsteten und die Sach vor verloren gaben, so mich trefflich schmirzete; resolvierte der halben bei mir selbsten, mich niemand zu offenbaren damit ich mich keines Spotts teilhaftig machte, maßen ich mich zu etlichen Beschädigten von unserer Armee gesellet, welche einen eigenen Feldscherer bei sich hatten; denen gab ich ein gülden Kreuzlein, das ich noch am Hals davongebracht, vor welches er mir bis hieher meine Wunden verbunden. In solchem Elend nun, werter Simplici, hab ich mich bisher beholfen, gedenke mich auch keinem Menschen zu offenbaren, bis ich zuvor sehe, wie des Grafen von Götz seine Sach einen Ausgang gewinnet. Und demnach ich deine Gutherzigkeit und Treu sehe, gibt mir solches einen großen Trost, daß der liebe Gott mich noch nit verlassen, maßen ich heut morgen, als ich aus der Frühmeß kam und dich vor des Kommandanten Quartier stehen sahe, mir eingebildet, Gott hätte dich anstatt eines Engels zu mir geschickt, der mir in meiner Armseligkeit zu Hülf kommen sollte.« Ich tröstete Herzbrudern so gut ich konnte, und vertraute ihm, daß ich noch mehr Geld hätte als diejenige Duplonen die er gesehen, welches alles zu seinen Diensten stünde; und indem erzählte ich ihm auch Oliviers Untergang, und wasgestalt ich seinen Tod rächen müssen. Welches sein Gemüt dermaßen erquickte, also daß es ihm auch an seinem Leib wohl zustatten kam, gestalten es sich an allen Wunden täglich mit ihm besserte.
Das fünfte Buch
Das 1. Kapitel
Wie Simplicius ein Pilger