Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 243)

wegen seines langsamen mühseligen Gangs große Ungelegenheit aufladen. Das redete er aber mich von ihm zu schieben, weil er sich ein Gewissen machte, auf einer so heiligen Reis von demjenigen Geld zu zehren, das mit Morden und Rauben erobert worden; überdas wollte er mich auch nicht in allzu große Unkosten bringen, und sagte unverhohlen, daß ich bereits mehr bei ihm getan, als ich schuldig gewesen und er zu erwidern getraute; hierüber gerieten wir in ein freundlich Gezänk, das war so lieblich, daß ich dergleichen noch niemals hab hören hadern, denn wir brachten nichts anders vor, als daß jeder sagte, er hätte gegen dem andern noch nicht getan, was ein Freund dem andern tun sollte, da bei weitem die Guttaten, so er vom andern empfangen, noch nit wettgemacht. Solches alles aber wollte ihn noch nicht bewegen, mich vor einen Reisgefährten zu gedulden, bis ich endlich merkte, daß er beides, an Oliviers Geld und meinem gottlosen Leben ein Eckel hatte; derhalben behalf ich mich mit Lügen, und überredet ihn, daß mich mein Bekehrungsvorsatz nach Einsiedlen triebe; sollte er mich nun von einem so guten Werk abhalten, und ich darüber sterben, so würde ers schwerlich verantworten können. Hierdurch persuadiert ich ihn, daß er zuließe, den heiligen Ort mit ihm zu besuchen, sonderlich weil ich (wiewohl alles erlogen war) eine große Reu über mein böses Leben von mir scheinen ließe, als ich ihn denn auch überredete, daß ich mir selbst zur Buß aufgelegt hätte, sowohl als er auf Erbsen nach Einsiedlen zu gehen.

Dieser Zank war kaum vorbei, da gerieten wir schon in einen andern, denn Herzbruder war gar zu gewissenhaft; er wollte kaum zugeben, daß ich einen Paß vom Kommandanten nahm, der nach meinem Regiment lautete. »Was«, sagte er, »haben wir nit im Sinn, unser Leben zu bessern und nach Einsiedlen zu gehen? und nun siehe um Gottes willen, du willst den Anfang mit Betrug machen, und den Leuten mit Falschheit die Augen verkleiben. Wer mich vor der Welt verleugnet, den will ich auch vor meinem himmlischen Vatter verleugnen, sagt Christus! Was sein wir vor verzagte Maulaffen? wann alle Märtyrer und Bekenner Christi so getan hätten, so wären wenig Heilige im Himmel! lasse uns in Gottes Namen und Schutzempfehlung gehen wohin uns unser heiliger Vorsatz und Begierden hintreiben, und im übrigen Gott walten, so wird uns Gott schon hinführen wo unsere Seelen Ruhe finden«; als ich ihm aber vorhielte, man müßte Gott nicht versuchen, sondern sich in die Zeit schicken, und die Mittel gebrauchen, deren wir nicht entbehren könnten, vornehmlich weil das Wallfahrtengehen bei der Soldateska ein ungewöhnlich Ding seie, und wenn wir unser Vorhaben entdeckten, eher vor Ausreißer als Pilger gehalten würden, das uns denn große Ungelegenheit und Gefahr bringen könnte, zumalen auch der heilige Apostel Paulus, dem wir noch bei weitem nicht zu vergleichen, sich wunderbarlich in die Zeit und Gebräuch dieser Welt geschickt, ließ er endlich zu, daß ich einen Paß bekam, nach meinem Regiment zu gehen; mit demselben giengen wir bei Beschließung des Tors samt einem getreuen Wegweiser aus der

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