Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 245)
Gott verleihe dir Besserung, denn ohne dieselbe kann unser Freundschaft nicht bestehen.«
Von dieser Zeit an folgte ich ihm traurig nach, als einer den man zum Galgen führt, mein Gewissen fieng mich an zu drücken, und indem ich allerlei Gedanken machte, stelleten sich alle meine Bubenstück vor Augen, die ich mein Lebtag je begangen; da beklagte ich erst die verlorne Unschuld, die ich aus dem Wald gebracht, und in der Welt so vielfältig verscherzt hatte; und was meinen Jammer vermehrte, war dieses, daß Herzbruder nit viel mehr mit mir redete, und mich nur mit Seufzen anschaute, welches mir nit anders vorkam, als hätte er meine Verdammnus gewußt und an mir bejammert.
Das 2. Kapitel
Simplicius bekehrt sich, nachdem er zuvor von dem Teufel erschreckt worden.
Solchergestalt langten wir zu Einsiedlen an, und kamen eben in die Kirch, als ein Priester einen Besessenen exorzisieret; das war mir nun auch etwas Neues und Seltsams, derowegen ließ ich Herzbrudern knieen und beten, solang er mochte, und gieng hin, diesem Spektakul aus Fürwitz zuzusehen; aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da schriee der böse Geist aus dem armen Menschen: »Oho, du Kerl, schlägt dich der Hagel auch her? ich hab vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem Olivier in unserer höllischen Wohnung anzutreffen; so sehe ich wohl, du läßt dich hier finden, du ehebrecherischer mörderischer Hurenjäger, darfst du dir wohl einbilden, uns zu entrinnen? O ihr Pfaffen, nemmt ihn nur nicht an, er ist ein Gleisner und ärgerer Lügner als ich, er foppt sich nur, und spottet beides Gott und der Religion!« Der Exorzist befohl dem Geist zu schweigen, weil man ihm als einem Erzlügner ohnedas nit glaube. »Ja ja«, antwortet er, »fragt dieses ausgesprungenen Mönchs Reisgesellen, der wird euch wohl erzählen können, daß dieser Atheist sich nit gescheuet die Erbsen zu kochen auf welchen er hieher zu gehen versprochen.« Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopf oder Fuß stunde, da ich dieses alles hörete, und mich jedermann ansahe; aber der Priester strafte den Geist und machte ihn stillschweigen, konnte ihn aber denselben Tag nicht austreiben. Indessen kam Herzbruder auch herzu, als ich eben vor Angst mehr einem Toten als Lebendigen gleichsahe, und zwischen Hoffnung und Forcht nit wußte, was ich tun sollte; dieser tröstete mich so gut als er konnte, versicherte daneben die Umstehende, und sonderlich die Patres, daß ich mein Tage nie kein Mönch gewesen, aber wohl ein Soldat, der vielleicht mehr Böses als Gutes getan haben möchte, sagte daneben, der Teufel wäre ein Lügner, wie er denn auch das von den Erbsen viel ärger gemacht hätte, als es an sich selbst wäre; ich war aber in meinem Gemüt dermaßen verwirret, daß mir nicht anders war, als ob ich allbereit die höllische Pein selbst empfände, also daß die Geistlichen genug an mir zu trösten hatten; sie vermahnten mich zur Beicht und Kommunion, aber der Geist schriee abermal aus dem Besessenen: »Ja, ja, er wird fein beichten, er weiß mit einmal was beichten ist; und zwar was wollt ihr mit ihm machen?