Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 247)
wieder von hinnen wollen; viel Gelt sei bald vertan, wann man nur davon, und nichts dazu tue: Es stäube hinaus wie der Rauch, und verspreche nimmermehr wiederzukommen, etc. Auf solche treuherzige Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen wie reich mein Säckel wäre, und daß ich bedacht uns beeden Guts davon zu tun, sintemal dessen Ankunft und Erwerbung ohnedas alles Segens so unwürdig wäre, daß ich keinen Meierhof daraus zu erkaufen gedächte; und wenn ichs schon nit anlegen wollte, meinen liebsten Freund auf Erden damit zu unterhalten, so wäre doch billich, daß er, Herzbruder, aus Oliviers Geld vergnügt würde, um diejenige Schmach, die er hiebevor von ihm vor Magdeburg empfangen. Und demnach ich mich in aller Sicherheit zu sein wußte, zog ich meine beide Skapulier ab, trennete die Dukaten und Pistolen heraus, und sagte zu Herzbrudern, er möge nun mit diesem Geld nach seinem Belieben disponieren, und solches anlegen und austeilen, wie er vermeine, daß es uns beiden am nutzlichsten wäre.
Da er neben meinem Vertrauen das ich zu ihm trug, so viel Geld sahe, mit welchem ich auch ohne ihn wohl ein ziemlicher Herr hätte sein können, sagte er: »Bruder, du tust nichts solang ich dich kenne, als deine gegen mir habende Lieb und Treu zu bezeugen! Aber sage mir, womit vermeinst du wohl, daß ichs wieder um dich werde beschulden können? es ist nit nur um das Geld zu tun, denn solches ist vielleicht mit der Zeit wieder zu bezahlen, sondern um deine Lieb und Treu, vornehmlich aber um dein zu mir habendes hohes Vertrauen, so nicht zu schätzen ist; Bruder, mit einem Wort, dein tugendhaft Gemüt macht mich zu deinem Sklaven, und was du gegen mir tust, ist mehr zu verwundern, als zu widergelten müglich; o ehrlicher Simplici, dem bei diesen gottlosen Zeiten, in welchen die Welt voll Untreu steckt, nicht in Sinn kommt, der arme und hochbedürftige Herzbruder möchte mit einem so ansehlichen Stück Geld fortgehen und ihn an seine Statt in Mangel setzen; versicher Bruder, dieser Beweistum wahrer Freundschaft verbindet mich mehr gegen dir als ein reicher Herr, der mir viel tausend verehrte: Allein bitte ich, mein Bruder, bleib selber Herr, Verwahrer und Austeiler über dein Geld, mir ists genug, daß du mein Freund bist!« Ich antwortet: »Was wunderliche Reden sein das, hochgeehrter Herzbruder, er gibt mündlich zu vernehmen, daß er mir verbunden seie, und will doch nicht davor sein, daß ich unser Geld, beides, ihm und mir zu Schaden, nicht unnütz verschwende.« Also redeten wir beiderseits gegeneinander läppisch genug, weil je einer in des andern Lieb trunken war. Also wurde Herzbruder zugleich mein Hofmeister, mein Säckelmeister, mein Diener und mein Herr, und in solcher müßigen Zeit erzählte er mir seinen Lebenslauf, und durch was Mittel er bei dem Grafen von Götz bekannt und befördert worden, worauf ich ihm auch erzählte, wie mirs ergangen, sint sein Vatter sel. gestorben, dann wir uns bisher noch niemal so viel Zeit genommen; und da er hörte, daß ich ein junges Weib zu L. hatte, verwiese er mir, daß ich