Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 248)
mich nit ehender zu derselbigen, als mit ihm in das Schweizerland begeben, dann solches wäre mir anständiger und auch meine Schuldigkeit gewesen. Und demnach ich mich entschuldiget, daß ich ihn als meinen allerliebsten Freund in seinem Elend zu verlassen nit übers Herz bringen können, beredet er mich, daß ich meinem Weib schriebe, und ihr meine Gelegenheit zu wissen machte, mit Versprechen, mich mit ehistem wieder zu ihr zu begeben; tät auch meines langen Ausbleibens halber meine Entschuldigungen, daß ich nämlich allerhand wideriger Begegnussen halber, wie gern ich auch gewollt, mich nit ehender bei ihr hätte einfinden können.
Und dieweil Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen erfuhr, daß es um den Grafen von Götz wohl stünde, sonderlich daß er mit seiner Verantwortung bei der Kaiserl. Majestät hinauslangen, wieder auf freien Fuß kommen, und gar wiederum das Kommando über eine Armee kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand nach Wien, schrieb auch nach der churbayrischen Armee wegen seiner Bagage, die er noch dort hatte, und fieng an zu hoffen, sein Glück würde wieder grünen; derhalben machten wir den Schluß, künftigen Frühling voneinander zu scheiden, indem er sich zu bemeldtem Grafen, ich aber mich nach L. zu meinem Weib begeben wollte. Damit wir aber denselben Winter nit müßig zubrächten, lernten wir von einem Ingenieur auf dem Papier mehr fortifizieren, als die Könige in Hispanien und Frankreich ins Werk setzen können; daneben kam ich mit etlichen Alchimisten in Kundschaft, die wollten mich, weil sie Geld hinder mir merkten, Gold machen lernen, da ich nur den Verlag dazu hergeben wollte, und ich glaube, sie hätten mich überredt, wenn ihnen Herzbruder nicht abgedankt hätte, dann er sagte: Wer solche Kunst könnte, würde nicht so bettelhaftig dahergehen, noch andere um Geld ansprechen.
Gleichwie nun Herzbruder von hochermeldtem Grafen ein angenehme Wiederantwort und treffliche Promessen von Wien aus erhielte, also bekam ich von L. kein einigen Buchstaben, unangesehen ich unterschiedliche Posttäg in duplo hinschriebe: Das machte mich unwillig und verursachte, daß ich denselben Frühling meinen Weg nit nach Westfalen antrat, sondern von Herzbrudern erhielt, daß er mich mit ihm nach Wien nahm, mich seines verhoffenden Glücks genießen zu lassen; also mondierten wir uns aus meinem Geld wie zwei Cavallier, beides mit Kleidungen, Pferden, Dienern und Gewehr, giengen durch Konstanz auf Ulm, allda wir uns auf die Donau setzten, und von dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich anlangten. Auf demselben Weg observierte ich sonst nichts, als daß die Weibsbilder so an dem Strand wohnen, den Vorüberfahrenden, so ihnen zuschrieen, nicht mündlich, sondern schlechthin mit dem Beweistum selbst antworten, davon ein Kerl manch feines Einsehen haben kann.
Das 4. Kapitel
Wasmaßen Herzbruder und Simplicius abermal in Krieg, und wieder daraus kommen.
Es gehet wohl seltsam in der veränderlichen Welt her! Man pflegt zu sagen: Wer alles wüßte, der würde bald reich; ich aber sage: Wer sich allweg in die Zeit schicken könnte, der würde bald groß und mächtig. Mancher Schindhund oder Schabhals (dann diese beide Ehrentitul werden den Geizigen gegeben) wird wohl bald reich, weil er einen und andern Vortel weiß und