Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 246)
er ist einer ketzerischen Art, und uns zuständig, seine Eltern sein mehr wiedertäuferisch als kalvinisch gewesen«, etc. Der Exorzist befohl dem Geist abermal stillzuschweigen und sagte zu ihm: »So wird dichs desto mehr verdrießen, wenn dir das arme verlorne Schäflein wieder aus dem Rachen gezogen, und der Herd Christi einverleibt wird«; darauf fieng der Geist so grausam an zu brüllen, daß es schröcklich zu hören war. Aus welchem greulichen Gesang ich meinen größten Trost schöpfte, dann ich gedachte, wenn ich keine Gnad von Gott mehr erlangen könnte, so würde sich der Teufel nicht so übel geheben.
Wiewohl ich mich damals auf die Beicht nicht gefaßt gemacht, auch mein Lebtag nie in Sinn genommen zu beichten, sondern mich jederzeit aus Scham davor geförchtet, wie der Teufel vorm H. Kreuz, so empfande ich jedoch in selbigem Augenblick in mir eine solche Reu über meine Sünden, und ein solche Begierde zur Buße und mein Leben zu bessern, daß ich alsobalden einen Beichtvatter begehrte, über welcher gählingen Bekehrung und Besserung sich Herzbruder höchlich erfreuete, weil er wahrgenommen und wohl gewußt, daß ich bisher noch keiner Religion beigetan gewesen; demnach bekannte ich mich öffentlich zu der katholischen Kirchen, gieng zur Beicht, und kommunizierte nach empfangener Absolution; worauf mir dann so leicht und wohl ums Herz wurde, daß ichs nicht aussprechen kann, und was das verwunderlichste war, ist dieses, daß mich der Geist in dem Besessenen fürterhin zufrieden ließe, da er mir doch vor der Beicht und Absolution unterschiedliche Bubenstück die ich begangen gehabt, so eigentlich vorgeworfen, als wann er auf sonst nichts, als meine Sünden anzumerken, bestellt gewesen wäre; doch glaubten ihm als einem Lügner die Zuhörer nichts, sonderlich weil mein ehrbarer Pilgerhabit ein anders vor die Augen stellete.
Wir verblieben vierzehen ganzer Tag an diesem gnadenreichen Ort, allwo ich Gott um meine Bekehrung dankte, und die Wunder so allda geschehen, betrachtete; welches alles mich zu ziemlicher Andacht und Gottseligkeit reizete; doch währete solches auch solang als es mochte; dann gleichwie meine Bekehrung ihren Ursprung nicht aus Liebe zu Gott genommen: sondern aus Angst und Forcht verdammt zu werden; also wurde ich auch nach und nach wieder ganz lau und träg, weil ich allgemählich des Schreckens vergaß, den mir der böse Feind eingejagt hatte; und nachdem wir die Reliquien der Heiligen, die Ornat und andere sehenswürdige Sachen des Gotteshauses genungsam beschauet, begaben wir uns nach Baden, alldorten vollends auszuwintern.
Das 3. Kapitel
Wie beide Freund den Winter hinbringen.
Ich dingte daselbst ein lustige Stube und Kammer vor uns, deren sich sonsten, sonderlich Sommerszeit, die Badgäst zu gebrauchten pflegen; welches gemeiniglich reiche Schweizer sein, die mehr hinziehen sich zu verlustieren und zu prangen, als einiger Gebrechen halber zu baden; so verdingte ich uns auch zugleich in die Kost, und als Herzbruder sahe, daß ichs so herrlich angriff, vermahnete er mich zur Gesparsamkeit und erinnert mich des langen rauhen Winters, den wir noch zu überstehen hätten; maßen er nicht getraute, daß mein Gelt so weit hinauslangen würde; ich würde meinen Vorrat, sagte er, auf den Frühling wohl brauchen, wann wir