Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 252)

viel Millionen hingerafft), daß sie sich gebessert? Nein, nein, Mercuri, die übrig Verbliebene, die den elenden Jammer mit ihren Augen angesehen, haben sich nit allein nit gebessert, sondern seind viel ärger worden als sie zuvor jemals gewesen! haben sie sich nun wegen so vieler scharpfen Heimsuchungen nit bekehrt, sondern ­unter so schwerem Kreuz und Trübsalen gottlos zu leben nicht aufgehöret, was werden sie dann erst tun, wann ich ihnen den wollustbarlichen güldenen Frieden wieder zusendete? Ich müßte sorgen, daß sie mir wie hiebevor die Riesen getan, den Himmel abzustürmen unterstehen würden; aber ich will solchem Mutwillen wohl beizeit steuren, und sie im Krieg hocken lassen.«

Weil ich nun wußte, wie man diesem Gott lausen mußte, wann man ihn recht stimmen wollte, sagte ich: »Ach großer Gott, es seufzet aber alle Welt nach dem Frieden, und versprechen ein große Besserung, warum wolltest du ihnen dann solchen noch länger verweigern können?« »Ja«, antwortet Jupiter, »sie seufzen wohl, aber nit meinet-, sondern ihrentwillen; nicht, daß jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum Gott loben, sondern daß sie deren edle Früchten mit guter Ruhe, und in allem Wollust genießen möchten; ich fragte neulich einen grindigen Schneider, ob ich den Frieden geben sollte? Aber er antwortet mir, was er sich drum geheie, er müsse sowohl zu Kriegs- als Friedenszeiten mit der stählernen Stange fechten: Ein solche Antwort kriegte ich auch von einem Rotgießer, der sagte, wenn er im Frieden keine Glocken zu gießen hätte, so hätte er im Krieg genug mit Stücken und Feuermörseln zu tun. Also antwortet mir auch ein Schmied, und sagte: ›Habe ich keine Pflüg und Baurenwägen im Krieg zu beschlagen, so kommen mir jedoch genug Reuterpferd und Heerwägen unter die Händ, also daß ich des Friedens wohl entbehren kann.‹ Siehe nun, lieber Mercuri warum sollte ich ihnen dann den Frieden verleihen? Ja, es sind zwar etliche die ihn wünschen, aber nur wie gesagt, um ihres Bauchs und Wollust willen; hingegen aber sind auch andere, die den Krieg behalten wollen, nicht zwar weil es mein Will ist, sondern weil er ihnen einträgt; und gleichwie die Mäurer und Zimmerleut den Frieden wünschen, damit sie in Auferbauung der eingeäscherten Häuser Geld verdienen, also verlangen andere, die sich im Frieden mit ihrer Hand Arbeit nicht zu ernähren getrauen, die Kontinuation des Kriegs, in selbigem zu stehlen.«

Weilen dann nun mein Jupiter mit diesen Sachen umgieng, konnte ich mir leicht einbilden, daß er mir in solchem verwirrten Stand von dem Meinigen wenig Nachricht würde geben können, entdeckte mich ihm derhalben nicht, sondern nahm meinen Kopf zwischen die Ohren, und gieng durch Abweg, die mir dann alle wohl bekannt waren, nach L., fragte daselbst nach meinem Schwährvatter, allerdings wie ein fremder Bott, und erfuhr gleich, daß er samt meiner Schwieger bereits vor einem halben Jahr diese Welt gesegnet, und dann daß meine Liebste, nachdem sie mit einem jungen Sohn niederkommen, den ihre Schwester bei sich hätte, gleichfalls stracks nach ihrem Kindbett diese Zeitlichkeit verlassen; darauf lieferte ich meinem Schwager diejenige Schreiben, die ich selbst an meinen Schwähr, an meine Liebste,

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