Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 253)

und an ihn, meinen Schwager, geschrieben; derselbe nun wollte mich selbst herbergen, damit er von mir als einem Botten erfahren könnte, was Stands Simpli­cius seie, und wie ich mich verhielte? zu dem Ende diskurierte meine Schwägerin lang mit mir von mir selbsten, und ich redete auch von mir, was ich nur Löblichs von mir wußte, dann die Urschlechten hatten mich dergestalt verderbt und verändert, daß mich kein Mensch mehr kannte, außer der von Schönstein, welcher aber, als mein getreuster Freund, reinen Mund hielte.

Als ich ihr nun nach der Länge erzählt, daß Herr Simplicius viel schöner Pferd und Diener hätte, und in einem schwarzen sammeten Mutzen aufzöge, der überall mit Gold verbrämt wäre, sagte sie: »Ja, ich hab mir jederzeit eingebildet, daß er keines so schlechten Herkommens sei, als er sich davor ausgeben; der hiesige Kommandant hat meine Eltern sel. mit großen Verheißungen persuadiert, daß sie ihm meine Schwester sel., die wohl ein fromme Jungfer gewesen, ganz vortelhaftiger Weis aufgesattelt, davon ich niemalen ein gutes End habe hoffen können; nichtdestoweniger hat er sich wohl angelassen, und resolviert, in hiesiger Garnison schwedische, oder vielmehr hessische Dienst anzunehmen, maßen er zu solchem End seinen Vorrat, was er zu Köln gehabt, hieher holen wollen, das sich aber gesteckt, und er darüber ganz schelmischer Weis in Frankreich praktiziert worden, meine Schwester, die ihn noch kaum vier Wochen gehabt, und sonst noch wohl ein halb Dutzend Burgerstöchter schwanger hinderlassend; wie dann eine nach der andern (und zwar meine Schwester am allerletzten) mit lauter jungen Söhnen niederkommen. Weil dann nunmehr mein Vatter und Mutter tot, ich und mein Mann aber keine Kinder miteinander zu hoffen, haben wir meiner Schwester Kind zum Erben aller unser Verlassenschaft angenommen und mit Hülf des hiesigen Herrn Kommandanten seines Vattern Hab zu Köln erhoben, welches sich ungefähr auf 3000 Gülden belaufen möchte, daß also dieser junge Knab, wenn er einmal zu seinen Jahren kommt, sich unter die Arme zu rechnen keine Ursach haben wird; ich und mein Mann lieben das Kind auch so sehr, daß wirs seinem Vatter nicht ließen, wenn er schon selbst käme, und ihn abholen wollte; überdas so ist er der Schönste unter allen seinen Stiefbrüdern und siehet seinem Vatter so gleich, als wenn er ihm aus den Augen geschnitten wäre; und ich weiß, wenn mein Schwager wüßte, was er vor einen schönen Sohn hier hätte, daß er ihm nicht abbrechen könnte hieherzukommen (da er schon seine übrige Hurenkinder scheuen möchte) nur das liebe Herzgen zu sehen.« Solche und dergleichen Sachen brachte mir meine Schwägerin vor, woraus ich ihre Lieb gegen meinem Kind leicht spüren können, welches dann dort in seinen ersten Hosen herumlieffe und mich im Herzen erfreute; derhalben suchte ich die Kleinodien herfür, die mir Herzbruder geben, solche seinetwegen meinem Weib zu verehren; dieselbige (sagte ich) hätte mir Herr Simplicius mitgeben, seiner Liebsten zum Gruß einzuhändigen; weil aber selbige tot wäre, schätzte ich, es wäre billich, daß ich sie seinem Kind hinderließe, welche mein Schwager und seine Frau mit Freuden empfiengen, und daraus schlossen, daß ich an

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