Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 254)
Mitteln keinen Mangel haben, sondern viel ein anderer Gesell sein müßte, als sie sich hiebevor von mir eingebildet. Mithin drang ich auf meine Abfertigung, und als ich dieselbe bekam, begehrte ich im Namen Simplici den jungen Simplicium zu küssen, damit ich seinem Vatter solches als ein Wahrzeichen erzählen könnte; als es nun auf Vergönstigung meiner Schwägerin geschahe, fienge beides, mir und dem Kind die Nas an zu bluten, darüber mirs Herz hätte brechen mögen; doch verbarg ich meine Affekten, und damit man nit Zeit haben möchte, der Ursach dieser Sympathiae nachzudenken machte ich mich stracks aus dem Staub, und kam nach vierzehen Tagen durch viel Mühe und Gefahr wieder in Bettlers Gestalt in Sauerbrunnen, weil ich unterwegs ausgeschälet worden.
Das 6. Kapitel
Erzählung eines Possen, den Simplicius im Sauerbrunnen angestellt.
Nach meiner Ankunft wurde ich gewahr, daß es sich mit Herzbrudern mehr gebösert als gebessert hatte, wiewohl ihn die Doctores und Apothecker strenger als eine fette Gans gerupft; überdas kame er mir auch ganz kindisch vor, und konnte kümmerlich mehr recht gehen; ich ermuntert ihn zwar so gut ich konnte, aber es war schlecht bestellt; er selbst merkte an Abnehmung seiner Kräften wohl, daß er nit lang mehr würde dauren können, sein größter Trost war, daß ich bei ihm sein sollte, wenn er die Augen würde zutun.
Hingegen machte ich mich lustig, und suchte meine Freud, wo ich solche zu finden vermeinte, doch solchergestalt, daß meinem Herzbruder an seiner Pfleg nichts manglete. Und weil ich mich einen Witwer zu sein wußte, reizten mich die gute Täg und meine Jugend wiederum zur Buhlerei, deren ich dann trefflich nachhienge, weil mir der zu Einsiedlen eingenommene Schrecken wieder allerdings vergessen war. Es befand sich im Sauerbrunnen eine schöne Dame, die sich vor eine von Adel ausgab und meines Erachtens doch mehr mobilis als nobilis war; derselben Mannsfallen wartet ich trefflich auf den Dienst, weil sie ziemlich glatthärig zu sein schiene, erhielte auch in kurzer Zeit nicht allein einen freien Zutritt, sondern auch alle Vergnügung, die ich hätte wünschen und begehren mögen, aber ich hatte gleich ein Abscheuen ab ihrer Leichtfertigkeit, trachtet derhalben, wie ich ihrer wieder mit Manier los werden könnte, dann wie mich dünkte, so gieng sie mehr darauf um, meinen Säckel zu scheren, als mich zur Ehe zu bekommen; zudem übertrieb sie mich mit liebreizenden feurigen Blicken und andern Bezeugungen ihrer brennenden Affektion, wo ich gieng und stunde, daß ich mich beides, vor mich und sie schämen mußte.
Nebendem befand sich auch ein vornehmer reicher Schweizer im Bad, dem wurde nicht nur sein Geld, sondern auch seines Weibs Geschmuck, der in Gold, Silber, Perlen und Edelgesteinen bestunde, entfremdet; weil dann nun solche Sachen ebenso ungerne verloren werden, als schwer sie zu erobern sein, derhalben suchte bemeldter Schweizer allerhand Rat und Mittel, dadurch er selbige wieder zur Hand bringen möchte, maßen er den berühmten Teufelsbanner aus der Geißhaut kommen ließe, der durch seinen Spiritum familiarem den Dieb dergestalt tribulierte, daß er das gestohlene Gut wieder in eigener Person an seine Gehörde liefern mußte, deswegen