Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 257)
also daß ich sie genug betrachten und meine vorwitzige Augen an ihr weiden konnte; da dünkte mich, ich hätte die Tag meines Lebens kein schöner Mensch gesehen, die Proportion des Leibs schiene vollkommen und ohne Tadel, Arm und Hände schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarze Augen aber voller Feur und Liebreizender Blick; als sie nun ihre Butter wieder einpackte, schriee ich hinüber: »Ach Jungfer, Ihr habt zwar mit Euren schönen Händen Eure Butter im Wasser abgekühlt, hingegen aber mein Herz durch Eure klare Augen ins Feur gesetzt!« Sobald sie mich sahe und hörte, lief sie davon, als ob man sie gejagt hätte, ohne daß sie mir ein Wörtlein geantwort hätte, mich mit all denjenigen Torheiten beladen hinderlassend, damit die verliebte Phantasten gepeinigt zu werden pflegen.
Aber meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen zu werden, ließen mich nit in meiner Einsamkeit, die ich mir auserwählt, sondern machten, daß ich das Gesang der Nachtigallen nit höher achtete, als ein Geheul der Wölf; derhalben trollte ich auch dem Sauerbrunnen zu, und schickte meinen Jungen voran, die Butterverkäuferin anzupacken, und mit ihr zu markten, bis ich hernach käme; dieser tät das seinige, und ich nach meiner Ankunft auch das meinige; aber ich fande ein steinern Herz und eine solche Kaltsinnigkeit, dergleichen ich hinder einem Baurenmägdlein nimmermehr zu finden getraut hätte, welches mich aber viel verliebter machte, ohnangesehen ich, als einer der mehr in solchen Schulen gewesen, mir die Rechnung leicht machen können, daß sie sich nit so leicht betören lassen würde.
Damals hätte ich entweder einen strengen Feind, oder einen guten Freund haben sollen; einen Feind, damit ich meine Gedanken gegen demselbigen hätte richten, und der närrischen Lieb vergessen müssen, oder einen Freund, der mir ein anders geraten, und mich von meiner Torheit, die ich vornahm, hätte ab mahnen mögen: Aber ach leider, ich hatte nichts als mein Geld das mich verblendete, meine blinde Begierden die mich verführten, weil ich ihnen den Zaum schießen ließe, und meine grobe Unbesonnenheit, die mich verderbte, und in alles Unglück stürzte; ich Narr hätte ja aus unsern Kleidungen, als aus einem bösen Omen judizieren sollen, daß mir ihre Lieb nit wohl ausschlagen würde, denn weil mir Herzbruder, diesem Mägdlein aber ihre Eltern gestorben, und wir dahero alle beide in Trauerkleidern aufzogen, als wir einander das erstemal sahen, was hätte unsere Buhlschaft vor eine Fröhlichkeit bedeuten sollen? Mit einem Wort, ich war mit dem Narrnseil rechtschaffen verstrickt und derhalben ganz blind und ohne Verstand, wie das Kind Cupido selbsten, und weil ich meine viehische Begierde nicht anders zu sättigen getraute, entschloß ich, sie zu heuraten. »Was«, gedacht ich, »du bist deines Herkommens doch nur ein Baurensohn, und wirst dein Tag kein Schloß besitzen; diese Revier ist ein edel Land, das sich gleichwohl dies grausame Kriegswesen hindurch, gegen andern Orten zu rechnen, im Wohlstand und Flor befunden; überdas hast du noch Geld genug, auch den besten Baurenhof in dieser Gegend zu bezahlen; du willst dies ehrliche Baurengretlein heuraten, und dir einen geruhigen Herrnhandel mitten unter den Bauren schaffen; wo