Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 258)
wolltest du dir eine lustigere Wohnung aussehen können als bei dem Sauerbrunnen, da du wegen der zu- und abreisenden Badgäst gleichsam alle sechs Wochen ein neue Welt sehen, und dir dabei einbilden kannst, wie sich der Erdkreis von einem Saeculo zum andern verändert.« Solche und dergleichen mehr tausendfältige Gedanken machte ich, bis ich endlich meine Geliebte zur Ehe begehrte, und (wiewohl nicht ohne Mühe) das Jawort erhielte.
Das 8. Kapitel
Simplicius gibt sich in die zweite Ehe, trifft seinen Knan an, und erfährt, wer seine Eltern gewesen.
Ich ließe trefflich zur Hochzeit zurüsten, denn der Himmel hieng mir voller Geigen; das Baurengut, darauf meine Braut geboren worden, löste ich nit allein ganz an mich, sondern fieng noch dazu einen schönen neuen Bau an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- als haushalten hätte wollen; und ehe ich die Hochzeit vollzogen, hatte ich bereits über dreißig Stück Vieh dastehen, weil man so viel das Jahr hindurch auf demselben Gut erhalten konnte; in Summa, ich bestellte alles auf das beste, auch sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir nur meine Torheit eingab. Aber die Pfeife fiel mir bald in Dreck, dann da ich nunmehr vermeinte mit gutem Wind in England zu schiffen, kam ich wider alle Zuversicht in Holland, und damals, aber viel zu spat, wurde ich erst gewahr, was Ursach mich meine Braut so ohngerne nemmen wollen; das mich aber am allermeisten schmirzte, war, daß ich mein spöttlich Anliegen keinem Menschen klagen dorfte. Ich konnte zwar wohl erkennen, daß ich nach dem Maß der Billichkeit Schulden bezahlen mußte, aber solche Erkanntnus machte mich darum nichts desto gedultiger, viel weniger frömmer, sondern weil ich mich so betrogen befande, gedachte ich meine Betrüger wieder zu betrügen, maßen ich anfienge grasen zu gehen, wo ich zukommen konnte; überdas stack ich mehr bei guter Gesellschaft im Sauerbrunnen, als zu Haus; in Summa, ich ließe meine Haushaltung allerdings ein gut Jahr haben, andernteils war meine Frau ebenso liederlich; sie hatte einen Ochsen, den ich ins Haus schlagen lassen, in etliche Körb eingesalzen, und als sie mir auf ein Zeit eine Spansau zurichten sollte, unterstunde sie solches wie einen Vogel zu ropfen, wie sie mir dann auch Krebs auf dem Rost, und Forellen an einem Spieß braten wollen; bei diesen paar Exempeln kann man ohnschwer abnehmen, wie ich im übrigen mit ihr bin versorgt gewesen; nicht weniger trank sie auch das liebe Weingen gern, und teilet andern guten Leuten auch mit, das mir dann mein künftig Verderben prognostizierte.
Einsmals spazierte ich mit etlichen Stutzern das Tal hinunder, eine Gesellschaft im undern Bad zu besuchen; da begegnet uns ein alter Baur, mit einer Geiß am Strick, die er verkaufen wollte; und weil mich dünkte, ich hätte dieselbe Person mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit dieser Geiß herkäme? Er aber zoge sein Hütlein ab und sagte: »Gnädiger Hearr, eich darffs auch werlich neit sahn.« Ich sagte: »Du wirst sie ja nicht gestohlen haben?« »Nein, antwortet der Baur,« sondern ich bring sie aus dem Städtgen unden im Tal, welches ich