Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 260)

sie den Vorkauf haben, wo nicht, so wollte er mir die Geiß zukommen lassen, und wie der Handel stünde, auf den Abend anzeigen.

Also gieng mein Knan seines Wegs, und ich mit meiner Gesellschaft den unserigen auch; doch konnte und mochte ich nit länger bei der Kompagnie bleiben, sondern drehte mich ab, und gieng hin, wo ich meinen Knan wiederfand; der hatte seine Geiß noch, weil ihm andere nicht so viel als ich drum geben wollten, welches mich an so reichen Leuten wunderte, und doch nit kärger machte; ich führte ihn auf meinen neuerkauften Hof, bezahlte ihm seine Geiß, und nachdem ich ihme einen halben Rausch angehenkt, fragte ich hin, woher ihm derjenige Knab zugestanden wäre, von dem wir heut geredet? »Ach Herr«, sagte er, »der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert, und die Nördlinger Schlacht hat ihn mir wieder genommen«. Ich sagte: »Das muß wohl ein lustige Histori sein«, mit Bitt, weil wir doch sonst nichts zu reden hätten, er wollte mirs doch vor die lange Weil erzählen: Darauf fieng er an und sagte: »Als der Mansfelder bei Höchst die Schlacht verlor, zerstreute sich sein flüchtig Volk weit und breit herum, weil sie nit alle wußten, wohin sie sich retirieren sollten; viel kamen in Spessert, weil sie die Büsch suchten, sich zu verbergen; aber indem sie dem Tod auf der Ebene entgiengen, fanden sie ihn bei uns in den Bergen, und weil beide kriegende Teil vor billich achteten, einander auf unserm Grund und Boden zu berauben und niederzumachen, griffen wir ihnen auch auf die Hauben; damals gieng selten ein Baur in den Büschen ohne Feurrohr, weil wir zu Haus bei unsern Hauen und Pflügen nit bleiben konnten; in demselben Tumult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem wilden ungeheuren Wald eine schöne junge Edelfrau, samt einem stattlichen Pferd, als ich zuvor nit weit davon etliche Büchsenschuß gehört hatte; ich sahe sie anfänglich vor einen Kerl an, weil sie so mannlich daherritte, aber indem ich sie beides, Händ und Augen gegen dem Himmel aufheben sahe und auf Welsch mit einer erbärmlichen Stimm zu Gott rufen hörte, ließ ich mein Rohr, damit ich Feur auf sie geben wollte, sinken, und zog den Hahnen wieder zurück, weil mich ihr Geschrei und Gebärden versicherten, daß sie ein betrübtes Weibsbild wäre; mithin näherten wir uns einander, und da sie mich sahe, sagte sie: ›Ach! wann Ihr ein ehrlicher Christenmensch seid, so bitte ich Euch um Gottes und seiner Barmherzigkeit, ja um des Jüngsten Gerichts willen, vor welchem wir alle um unser Tun und Lassen Rechenschaft geben müssen, Ihr wollet mich zu ehrlichen Weibern führen, die mich durch göttliche Hülf von meiner Leibesbürde entledigen helfen!‹ Diese Wort, die mich so großer Ding erinnerten, samt der holdseligen Aussprach, und zwar betrübten doch überaus schönen und anmutigen Gestalt der Frauen, zwangen mich zu solcher Erbärmde, daß ich ihr Pferd beim Ziegel nahm, und sie durch Hecken und Stauden an den allerdicksten Ort des Gesträuchs führte, da ich selbst mein Weib, Kind, Gesind und Viehe hingeflehnt hatte;

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