Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 261)

daselbst genas sie, ehender als in einer halben Stund, desjenigen jungen Knaben, von dem wir heut miteinander geredet haben.«

Hiemit beschloß mein Knan seine Erzählung, weil er eins trank, dann ich sprach ihm gar gütlich zu; da er aber das Glas ausgeleeret hatte, fragte ich: »Und wie ists danach weiter mit der Frauen gangen?« Er antwortet: »Als sie dergestalt Kindbetterin worden, bat sie mich zu Gevattern, und daß ich das Kind ehistes zum Tauf fürdern wollte, sagte mir auch ihres Manns und ihren Namen, damit sie möchten in das Taufbuch geschrieben werden; und indem tät sie ihr Felleisen auf, darinnen sie wohl köstliche Sachen hatte, und schenkte mir, meinem Weib und Kind, der Magd und sonst noch einer Frauen so viel, daß wir wohl mit ihr zufrieden sein können; aber indem sie so damit umgieng, und uns von ihrem Mann erzählte, starb sie uns unter den Händen, als sie uns ihr Kind zuvor wohl befohlen hatte: weil es dann nun so gar ein großer Lärmen im Land war, daß niemand bei Haus bleiben konnte, vermachten wir kaum ein Pfarrherrn, der bei der Begräbnus ware, und das Kind taufte; da aber endlich beides geschehen, wurde mir von unserm Schulzen und Pfarrherrn befohlen, ich sollte das Kind aufziehen bis es groß würd, und vor meine Mühe und Kosten der Frauen ganze Verlassenschaft behalten, ausgenommen etliche Paternoster, Edelgestein und so Geschmeiß, welches ich vor das Kind aufbehalten sollte; also ernährte mein Frau das Kind mit Geißmilch, und wir behielten den Buben gar gern und dachten, wir wollten ihm, wann er groß würde, unser Mädgen zur Frauen geben; aber nach der Nördlinger Schlacht habe ich beides, das Mägdlein und den Buben verloren, samt allem dem was wir vermochten.«

»Ihr habt mir«, sagte ich zu meinem Knan, »ein artliche Geschicht erzählt und doch das Best vergessen; dann Ihr habt nicht gesagt weder wie die Frau, noch ihr Mann oder das Kind geheißen.« »Herr«, antwortet er, »ich hab nicht gemeint, daß Ihrs auch gern hättet wissen mögen; die Edelfrau hieße Susanna Ramsi, ihr Mann Kapitän Sternfelß von Fuchsheim; und weil ich Melchior hieße, so ließe ich den Buben bei der Taufe auch Melchior Sternfelß von Fuchsheim nennen, und ins Taufbuch schreiben.«

Hieraus vernahm ich umständlich, daß ich meines Einsiedlers und des Gubernators Ramsay Schwester leiblicher Sohn gewesen, aber ach leider viel zu spat, dann meine Eltern waren beide tot, und von meinem Vetter Ramsay konnte ich anders nichts erfahren, als daß die Hanauer ihn mitsamt der schwedischen Garnison ausgeschafft hätten, weswegen er dann vor Zorn und Ungedult ganz unsinnig worden wäre.

Ich deckte meinen Pettern vollends mit Wein zu, und ließe den andern Tag sein Weib auch holen; da ich mich ihnen nun offenbarte, wollten sie es nicht ehe glauben, bis ich ihnen zuvor einen schwarzen haarigen Flecken aufgewiesen, den ich vornen auf der Brust hatte.

Das 9. Kapitel

Welchergestalt ihn die Kindswehe angestoßen, und wie er wieder zu einem Witwer wird.

Ohnlängst hernach nahme ich meinen Pettern zu mir und tät mit ihm einen Ritt hinunder in Spessert, glaubwürdigen Schein

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