Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 263)
mein Weib argwohnet, was ich ihrentwegen vom Knecht gedachte, und dorft doch nichts ahnden, dann ich hätte ihr sonst vorgehalten, daß ich in einer Stund nicht zugleich bei ihr und der Magd sein können. Indessen wurde ich mit dieser Anfechtung heftig gepeiniget, daß ich meinem Knecht ein Kind aufziehen, und die meinige nicht meine Erben sein sollten, und daß ich noch dazu stillschweigen, und froh sein mußte, daß gleichwohl sonst niemand nichts davon wußte.
Mit solchen Gedanken martert ich mich täglich, aber mein Weib delektierte sich stündlich mit Wein, denn sie hatte ihr das Känngen sint unserer Hochzeit dergestalt angewehnt, daß es ihr selten vom Maul, und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne ein ziemlichen Rausch schlafen gieng; davon soff sie ihrem Kind zeitlich das Leben ab und entzündet ihr selbsten das Gehenk dergestalt, daß es ihr auch bald hernach entfiele und mich wiederum zu einem Witwer machte, welches mir so zu Herzen gienge, daß ich mich fast krank hierüber gelacht hätte.
Das 10. Kapitel
Relation etlicher Baursleut von dem wunderbaren Mummelsee.
Da ich mich nun wieder solchergestalt in meine erste Freiheit gesetzt befande, mein Beutel aber von Geld ziemlich geleeret, hingegen meine große Haushaltung mit vielem Viehe und Gesind beladen, nahm ich meinen Petter Melchior vor einen Vatter, meine Göt, seine Frau, vor meine Mutter, und den Bankert Simplicium, der mir vor die Tür geleget worden, vor meinen Erben an, und übergab diesen beiden Alten Haus und Hof, samt meinem ganzen Vermögen, bis auf gar wenig gelbe Batzen und Kleinodien, die ich noch auf die äußerste Not gespart und hinderhalten hatte, dann ich hatte einen Eckel ab aller Weiber Beiwohnung und Gemeinschaft gefaßt, daß ich mir vornahm, weil mirs so übel mit ihnen gangen, mich nicht mehr zu verheuraten; diese beide alte Eheleut, welche in re rusticorum nit wohl ihresgleichen mehr hatten, gossen meine Haushaltung gleich in einen andern Model; sie schafften von Gesind und Viehe ab, was nichts nutzte, und bekamen hingegen auf den Hof, was etwas eintrug; mein alter Knan samt meiner alten Meuder vertrösteten mich alles Guten und versprachen, wenn ich sie nur hausen ließe, so wollten sie mir allweg ein gut Pferd auf der Streu halten und so viel verschaffen, daß ich je zuzeiten mit einem ehrlichen Biedermann ein Maß Wein trinken könnte: Ich spürete auch gleich, was vor Leut meinem Hof vorstunden; mein Petter bestellte mit dem Gesind den Feldbau, schacherte mit Viehe und mit dem Holz- und Harzhandel ärger als ein Jud, und meine Göt legte sich auf die Viehzucht, und wußte die Milchpfenning besser zu gewinnen und zusammzuhalten, als zehen solcher Weiber, wie ich eins gehabt hatte. Auf solche Weis wurde mein Baurenhof in kurzer Zeit mit allerhand notwendigem Vorrat, auch groß und kleinem Vieh genugsam versehen, also daß er in Bälde vor den besten in der ganzen Gegend geschätzt wurde; ich aber gieng dabei spazieren, und wartet allerhand Kontemplationen ab, dann weil ich sahe, daß meine Göt mehr aus den Immen an Wachs und Honig vorschlug, als mein Weib hiebevor aus Rindvieh, Schweinen