Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 264)
und anderm eroberte, konnte ich mir leicht einbilden, daß sie im übrigen nichts verschlafen würde.
Einmals spazierte ich in Sauerbrunnen, mehr einen Trunk frisch Wasser zu tun, als mich meiner vorigen Gewohnheit nach mit den Stutzern bekannt zu machen, dann ich fieng an meiner Alten Kargheit nachzuöhmen, welche mir nicht rieten, daß ich mit den Leuten viel umgehen sollte, die ihre und ihrer Eltern Hab so unnützlich verschwendeten: Gleichwohl aber geriete ich zu einer Gesellschaft mittelmäßigen Stands, weil sie von einer seltenen Sach, nämlich von dem Mummelsee diskurierten, welcher unergründlich, und in der Nachbarschaft auf einem von den höchsten Bergen gelegen sei; sie hatten auch unterschiedliche alte Bauersleut beschickt, die erzählen mußten, was einer oder der ander von diesem wunderbarlichen See gehöret hätte, deren Relation ich dann mit großem Lust zuhörte, wiewohl ichs vor eitel Fabuln hielte, denn es lautete so lügenhaftig, als etliche Schwänk des Plinii.
Einer sagte, wenn man ungerad, es seien gleich Erbsen, Steinlein oder etwas anders, in ein Nastüchlein binde und hineinhenke, so verändere es sich in gerad; also auch, wenn man gerad hineinhenke, so finde man ungerad. Ein anderer, und zwar die meiste gaben vor und bestätigten es auch mit Exempeln; wenn man einen oder mehr Stein hineinwürfe, so erhebe sich gleich, Gott geb wie schön auch der Himmel zuvor gewesen, ein grausam Ungewitter, mit schröcklichem Regen, Schloßen und Sturmwinden. Von diesem kamen sie auch auf allerhand seltsame Historien, so sich dabei zugetragen, und was sich vor wunderbarliche Spektra von Erd- und Wassermännlein dabei hätten sehen lassen, und was sie mit den Leuten geredet. Einer erzählte, daß auf ein Zeit, da etliche Hirten ihr Vieh bei dem See gehütet, ein brauner Stier herausgestiegen, welcher sich zu dem andern Rindvieh gesellet, dem aber gleich ein kleines Männlein nachgefolget, ihn wieder zurück in See zu treiben; er hätte aber nicht parieren wollen, bis ihm das Männlein gewünscht hätte, es sollte ihn aller Menschen Leiden ankommen, wenn er nicht wieder zurückkehre! Auf welche Wort er und das Männlein sich wieder in den See begeben hätten. Ein anderer sagte, es sei auf ein Zeit, als der See überfroren gewesen, ein Baursmann mit seinen Ochsen und etlichen Plöchern, daraus man Tieln schneidet, über den See gefahren ohn einigen Schaden; als ihm aber sein Hund nachkommen, seie das Eis mit ihm gebrochen, und der arme Hund allein hinundergefallen, und nicht mehr gesehen worden. Noch ein anderer behauptete bei großer Wahrheit, es seie ein Schütz auf der Spur des Wilds bei dem See vorübergangen, der hätte auf demselben ein Wassermännlein sitzen sehen, das einen ganzen Schoß voll gemünzter Goldsorten gehabt und gleichsam damit gespielt hätte; und als er nach demselbigen Feur geben wollen, hätte sich das Männlein geduckt, und diese Stimme hören lassen: »Wenn du mich gebetten, deiner Armut zu Hülf zu kommen, so wollte ich dich und die Deinige reich genug gemacht haben.«
Solchen und dergleichen mehr Historien, die mir alle als Märlein vorkamen, damit man die Kinder aufhält, hörte ich an, verlachte sie, und glaubte nit einmal, daß ein solcher unergründlicher See auf