Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 266)

eines Bauren Sohn, zu einem Sohn eines rechtschaffenen Soldaten, und gleichwohl wieder zu einem Sohn meines Knans worden. Da führte ich zu Gemüt, wie mich seithero mein fatum des Herzbruders beraubt, und hingegen vor ihn mit zweien alten Eheleuten versorgt hätte; ich gedachte an das gottselige Leben und Absterben meines Vatters, an den erbärmlichen Tod meiner Mutter, und daneben auch an die vielfältige Veränderungen, deren ich mein Lebtag unterworfen gewesen, also daß ich mich des Weinens nit enthalten konnte. Und indem ich zu Gemüt führte, wieviel schön Geld ich die Tage meines Lebens gehabt und verschwendet, zumal solches zu bedauren anfienge, kamen zween gute Schlucker oder Weinbeißer (denen die Cholica in die Glieder geschlagen, deswegen sie denn erlahmet, und das Bad samt dem Sauerbrunnen brauchten) die setzten sich zunächst bei mir nieder weil es eine gute Ruhestatt hatte, und klagte je einer dem andern seine Not, weil sie vermeineten allein zu sein; der eine sagte: »Mein Doktor hat mich hieher gewiesen, als einen, an dessen Gesundheit er verzweifelt, oder als einen, der neben andern dem Wirt um das Fäßlein mit Butter so er ihm neulich geschickt, Satisfaktion tun solle; ich wollte, daß ich ihn entweder die Tage meines Lebens niemals gesehen, oder daß er mir gleich anfangs in Sauerbrunnen geraten hätte, so würde ich entweder mehr Geld haben oder gesünder sein als jetzt, denn der Sauerbrunnen schlägt mir wohl zu.« »Ach!« antwort der ander, »ich danke meinem Gott, daß er mir nicht mehr überflüssig Geld beschert hat, als ich vermag; dann hätte mein Doktor noch mehr hinder mir gewußt, so hätte er mir noch lang nicht in Sauerbrunnen geraten, sondern ich hätte zuvor mit ihm und seinen Apotheckern, die ihn deswegen alle Jahr schmieren, teilen müssen, und hätte ich darüber sterben und verderben sollen; die Schabhäls raten unsereinem nicht eher an ein so heilsam Ort, sie getrauen denn nit mehr zu helfen, oder wissen nichts mehr an einem zu ropfen; wenn man die Wahrheit bekennen will, so muß ihnen derjenige so sich hinder sie läßt, und hinder welchem sie Geld wissen, nur lohnen, daß sie einen krank erhalten.«

Diese zween hatten noch viel Schmähens über ihre Doctores, aber ich mags drum nicht alles erzählen, dann die Herren Medici möchten mir sonst feind werden, und künftig eine Purgation eingeben, die mir die Seel austreiben möchte: Ich melde dies allein deswegen, weil mich der letztere Patient mit seiner Danksagung, daß ihm Gott nit mehr Geld bescheret, dergestalt tröstete, daß ich alle Anfechtungen und schwere Gedanken, die ich damal des Gelds halber hatte, aus dem Sinn schlug. Ich resolvierte mich, weder mehr nach Ehren noch Geld, noch nach etwas anders das die Welt liebt, zu trachten; ja ich nahme mir vor zu philosophieren, und mich eines gottseligen Lebens zu befleißen, zumalen meine Unbußfertigkeit zu bereuen, und mich zu befleißen, gleich meinem Vatter sel. auf die höchste Staffeln der Tugenden zu steigen.

Das 12. Kapitel

Wie Simplicius mit den Sylphis in das Centrum Terrae fährt.

Die Begierde den Mummelsee zu beschauen vermehrte sich bei mir, als

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