Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 265)

einem hohen Berg sein könnte; aber es fanden sich noch andere Baursleut, und zwar alte glaubwürdige Männer, die erzählten, daß noch bei ihrem und ihrer Vätter Gedenken hohe fürstliche Personen den besagten See zu beschauen sich erhoben, wie denn ein regierender Herzog zu Würtenberg, etc. einen Floß machen, und mit demselbigen darauf hineinfahren lassen, seine Tiefe abzumessen; nachdem die Messer aber bereits neun Zwirnnetz (ist ein Maß, das die Schwarzwälder Baurenweiber besser als ich oder ein anderer Geometra verstehen) mit einem Senkel hinundergelassen, und gleichwohl noch keinen Boden gefunden, hätte das Floß, wider die Natur des Holzes, anfahen zu sinken, also daß die so sich darauf befunden, von ihrem Vornehmen abstehen und sich ans Land salvieren müssen, maßen man noch heutzutag die Stücker des Floßes am Ufer des Sees, und zum Gedächtnus dieser Geschicht das fürstliche würtenbergische Wappen und andere Sachen mehr, in Stein gehauen vor Augen sehe. Andere bewiesen mit vielen Zeugen, daß ein Erzherzog von Österreich etc. den See gar hätte abgraben lassen wollen, es seie ihm aber von vielen Leuten widerraten und durch Bitt der Landleute sein Vornehmen hindertrieben worden, aus Forcht, das ganze Land möchte untergehen und ersaufen: Überdas hätten höchstgedachte Fürsten etliche Legeln voll Forellen in den See setzen lassen, die seien aber alle, ehe als in einer Stund, in ihrer Gegenwart abgestanden und zum Auslauf des Sees hinausgeflossen, ohnangesehen das Wasser, so unter dem Gebürg, darauf der See liege, durch das Tal (so von dem See den Namen habe) hinfleußt, von Natur solche Fisch hervorbringe, da doch der Auslauf des Sees in selbig Wasser sich ergieße.

Das 11. Kapitel

Ein unerhörte Danksagung eines Patienten, die bei Simplicio fast heilige Gedanken verursacht.

Dieser letztern Aussag machte, daß ich denen zuerst beinahe völligen Glauben zustellte, und bewog meinen Fürwitz, daß ich mich entschloß, den wunderbaren See zu beschauen; von denen, so neben mir alle Erzählung gehört, gab einer dies, der ander jenes Urteil darüber, daraus denn ihre unterschiedliche und widereinander laufende Meinungen genugsam erhellten; ich zwar sagte, der teutsche Nam Mummelsee gebe genugsam zu verstehen, daß es um ihn, wie um eine Maskarade, ein verkapptes Wesen seie, also daß nicht jeder seine Art sowohl als seine Tiefe ergründen könne, die doch auch noch nicht erfunden worden wäre, da doch so hohe Personen sich dessen unterfangen hätten; gienge damit an denjenigen Ort, allwo ich vorm Jahr mein verstorbenes Weib das erstemal sahe und das süße Gift der Lieb einsoffe.

Daselbsten legte ich mich auf das grüne Gras in Schatten nieder, ich achtet aber nicht mehr als hiebevor, was die Nachtigallen daherpfiffen, sondern ich betrachtete, was vor Veränderung ich seithero erduldet; da stellte ich mir vor Augen, daß ich an eben demselbigen Ort den Anfang gemacht, aus einem freien Kerl zu einem Knecht der Liebe zu werden, daß ich seithero aus einem Offizier ein Bauer, aus einem reichen Bauer ein armer Edelmann, aus einem Simplicio ein Melchior, aus einem Witwer ein Ehmann, aus einem Ehmann ein Gauch, und aus einem Gauch wieder ein Witwer worden wäre; item, daß ich aus

Seiten