Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 259)

eben gegen dem Herrn nicht nennen darf, dieweil wir vor einer Geiß reden«: Solches bewegte meine Gesellschaft zum Lachen, und weil ich mich im Angesicht entfärbte, gedachten sie, ich hätte ein Verdruß, oder schämte mich, weil mir der Baur so artlich eingeschenkt; aber ich hatte andere Gedanken; dann an der großen Warzen, die der Baur gleichsam wie das Einhorn mitten auf der Stirn stehen hatte, wurde ich eigentlich versichert, daß es mein Knan aus dem Spessert war, wollte derhalben zuvor einen Wahrsager agieren, ehe ich mich ihm offenbaren, und mit einem so stattlichen Sohn, als damals meine Kleider auswiesen, erfreuen wollte, sagte derhalben zu ihm: »Mein lieber alter Vatter, seid Ihr nicht im Spessert zu Haus?« »Ja, Herr«, antwort der Baur; da sagte ich: »Haben Euch nicht von ungefähr 18 Jahren die Reuter Haus und Hof geplündert und verbrennet?« »Ja, Gott erbarms«, antwortet der Baur, »es ist aber noch nicht so lang.« Ich fragte weiter: »Habt Ihr nicht damals zwei Kinder, nämlich eine erwachsene Tochter, und jungen Knaben gehabt, der Euch der Schaf gehütet?« »Herr«, antwortet mein Knan, »die Tochter war mein Kind, aber der Bub nicht; ich hab ihn aber an Kindes Statt aufziehen wollen.« Hieraus verstunde ich wohl, daß ich dieses groben Knollfinken Sohn nicht sei, welches mich einsteils erfreute, hingegen aber auch betrübte, weil mir zugefallen, ich müßte sonsten ein Bankert oder Findling sein; fragte derowegen meinen Knan, wo er dann denselben Buben aufgetrieben? oder was er vor Ursach gehabt, denselben an Kinds Statt zu erziehen? »Ach«, sagte er, »es ist mir seltsam mit ihm gangen; der Krieg hat mir ihn geben, und der Krieg hat mir ihn wieder genommen.« Weil ich dann besorgte, es dürfte wohl ein Fazit herauskommen, das mir wegen meiner Geburt nachteilig sein möchte, verwendet ich meinen Diskurs wieder auf die Geiß, und fragte, ob er sie der Wirtin in die Küche verkauft hätte? das mich befremde, weil die Sauerbrunnengäst kein alt Geißenfleisch zu genießen pflegten. »Ach nein Herr«, antwort der Baur, »die Wirtin hat selber Geißen genug und gibt auch nichts vor ein Ding; ich bring sie der Gräfin, die im Sauerbrunnen badet, und ihr der Doktor Hans in allen Gassen etliche Kräuter geordnet, so die Geiß essen muß, und was sie dann vor Milch davon gibt, die nimmt der Doktor, und macht der Gräfin noch so ein Ärtznei drüber, so muß sie die Milch trinken und wieder gesund davon werden; man saht, es mangel der Gräfin am Gehenk, und wenn ihr die Geiß hilft, so vermag sie mehr als der Doktor und seine Abdecker miteinander.« Unter währender solcher Relation besann ich, auf was Weis ich mehr mit dem Bauren reden möchte, botte ihm derhalben einen Taler mehr um die Geiß, als der Doktor oder die Gräfin geben wollten; solches gieng er gleich ein (dann ein geringer Gewinn persuadiert die Leut bald anders) doch mit dem Beding, er sollte der Gräfin zuvor anzeigen, daß ich ihm ein Taler mehr drauf gebotten; wollte sie dann so viel drum geben als ich, so sollte

Seiten