Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 270)
keine Müdigkeit empfande, sondern auch in solchem sanften Abfahren mit obgemeldten Mummelseer-Prinzen allerhand diskurieren konnte; denn da ich seine Freundlichkeit vermerkte, fragte ich ihn, zu was Ende sie mich einen so weiten, gefährlichen, und allen Menschen ohngewöhnlichen Weg mit sich nähmen? Da antwortet er mir gar bescheiden, der Weg sei nit weit, den man in einer Stund spazieren könnte, und nit gefährlich, dieweil ich ihn und seine Gesellschaft mit dem überreichten Stein bei mir hätte; daß er mir aber ungewöhnlich vorkomme, sei sich nichts zu verwundern; sonst hätte er mich nicht allein aus seines Königs Befehl, der etwas mit mir zu reden, abgeholt, sondern daß ich auch gleich die seltsame Wunder der Natur unter der Erden und in Wassern beschauen sollte, deren ich mich zwar bereits auf dem Erdboden verwundert, ehe ich noch kaum einen Schatten davon gesehen. Darauf bate ich ihn ferner, er wollte mich doch berichten, zu was End der gütige Schöpfer so viel wunderbarliche See erschaffen, sintemal sie, wie mich dünkte, keinem Menschen nichts nutzen, sondern viel ehender Schaden bringen könnten? Er antwortet: »Du fragst billich um dasjenige, was du nicht weißt oder verstehest; diese See sind dreierlei Ursachen willen erschaffen: Denn erstlich werden durch sie alle Meer, wie die Namen haben, und sonderlich der große Oceanus, gleichsam wie mit Nägeln an die Erde geheftet; zweitens werden von uns durch diese See (gleichsam als wie durch Teichel, Schläuche oder Stiefeln bei einer Wasserkunst, deren ihr Menschen euch gebrauchet) die Wasser aus dem Abyssu des Oceani in alle Quellen des Erdbodens getrieben (welches denn unser Geschäft ist), wovon alsdenn alle Brunnen in der ganzen Welt fließen, die große und kleine Wasserflüß entstehen, der Erdboden befeuchtiget, die Gewächse erquickt, und beides, Menschen und Viehe getränkt werden; drittens, daß wir als vernünftige Kreaturen Gottes hierin leben, unser Geschäfte verrichten, und Gott den Schöpfer in seinen großen Wunderwerken loben sollen! Hierzu nun seind wir und solche See erschaffen, und werden auch bis an den Jüngsten Tag bestehen; wenn wir aber gegen derselben letzten Zeit unsere Geschäften, dazu wir von Gott und der Natur erschaffen und verordnet sind, aus einer oder andern Ursach unterlassen müssen, so muß auch notwendig die Welt durchs Feuer untergehen, so aber vermutlich nit ehender geschehen kann, es sei denn, daß ihr den Mond (donec auferatur luna, Psal. 71), Venerem oder Martem, als Morgen- und Abendstern verlieret, denn es müßten die generationes fructu et animalium erst vergehen und alle Wasser verschwinden, ehe sich die Erde von sich selbst durch der Sonnen Hitz entzünde, calciniere, und wiederum regeneriere; solches aber gebührt uns nicht zu wissen, ist auch allein Gott bekannt, außer was wir etwan mutmaßen, und eure Chymici aus ihrer Kunst daherlallen.«
Da ich ihn so reden und die H. Schrift anziehen hörete, fragte ich, ob sie sterbliche Kreaturen wären, die nach der jetzigen Welt auch ein künftiges Leben zu hoffen hätten? oder ob sie Geister seien, welche solang die Welt stünde, nur ihre anbefohlene Geschäfte verrichteten? Darauf antwortet er: »Wir sind keine Geister, sondern sterbliche Leutlein, die zwar mit